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: 72-jähriger Manager vitalisiert die Florida Marlins

Alter schützt vor Homeruns nicht

Wie der pure Hohn muss es den Fans der Florida Marlins vorgekommen sein, als der Klub im letzten Mai ausgerechnet einen Manager verpflichtete, dessen erklärtes Credo lautet, dass beim Baseball Spaß das Wichtigste sei. Spaß hatten die Anhänger des Teams aus Miami in den fünf Jahren zuvor wahrlich nicht gehabt. Dabei war alles so wunderbar gewesen im Herbst 1997, als die vier Jahre zuvor gegründeten Marlins gegen die Cleveland Indians sensationell die World Series gewannen und Floridas Bewohner in purer Glückseligkeit schwelgten, weil sie das beste Baseball-Team der Welt beherbergten.

Nur wenige Monate später besaßen sie, zumindest in der Major League Baseball (MLB), das schlechteste. Klub-Eigner Wayne Huizenga hatte die Gunst der Stunde genutzt und sämtliche Stars der außerhalb Floridas als „Söldnerteam“ geschmähten Mannschaft meistbietend verscherbelt. Die Folge waren Niederlagen über Niederlagen, die Zuschauerzahl sank auf einen Durchschnitt von knapp 10.000 in der letzten Saison, und Gerüchte von einer baldigen Auflösung des Teams machten die Runde. Von alldem ist jetzt keine Rede mehr. Mit den Chicago Cubs streiten sich die Marlins derzeit um einen Platz in der World Series, bei den Heimspielen am Wochenende werden jeweils 65.000 Fans im Pro Player Stadium von Miami versuchen, ihr Team ins Finale zu jubeln, wo dann New York Yankees oder Boston Red Sox die Gegner sein würden.

Dabei hatte auch in dieser Saison alles angefangen wie gehabt. Mit 29 Niederlagen in den ersten 48 Spielen schien das Team schon wieder aussichtslos zurückgefallen im Kampf um die Play-off-Plätze. Doch dann entließ Präsident David Samson den Manager Jeff Torborg und beschloss, dass nun vor allem eines gefragt war: Erfahrung. Er holte Jack McKeon, einen 72 Jahre alten Baseball-Veteranen, der 52 Spielzeiten in verschiedenen Funktionen auf dem Buckel hatte und als Spezialist für den schnellen Umschwung von Teams galt. Nachdem McKeon, in seiner aktiven Zeit Catcher, vor drei Jahren in Cincinnati gefeuert worden war, wähnten ihn viele im endgültigen Ruhestand. McKeon sagt, er habe sich lediglich „zwischen zwei Jobs“ befunden.

Mit seiner entspannten Art kam der neue Marlins-Manager, dessen größter Erfolg bisher der Einzug in die World Series 1984 mit den San Diego Padres war, bei den Spielern sofort an, auch wenn er gern mal ihre Namen verwechselt. Wie die Profis inzwischen mutmaßen, mit voller Absicht, damit sie etwas zu lachen haben. „Das Wichtigste ist, dass man zum Stadion kommt und Spaß hat“, predigt McKeon nämlich immer wieder, „wenn man das Spiel genießt, dann gewinnt man es eher.“ Was die Akteure umgehend bewiesen. Die Marlins schafften den ersehnten Umschwung, mit einer Siegbilanz von 72:42 unter McKeons Ägide gelang als Wildcard-Team gerade noch der Sprung in die Play-offs.

Das Markenzeichen des überaus frommen Katholiken – er besucht fast jeden Tag die Messe – ist die Wolke, die ihn ständig umgibt, wie Pigpen aus den Peanuts-Comics die seine. Nur dass sie bei McKeon nicht aus Staub, sondern aus Zigarrenqualm besteht. Seine geliebten Padrons raucht der Basketball-Manager sogar beim morgendlichen Joggen, während der Feier anlässlich des Play-off-Einzugs verbrauchte er stolze fünfzehn Stück der ansehnlichen Tabak-Monster.

Der nächste Coup der Marlins kam im Viertelfinale. Sensationell wurden die Vorjahresfinalisten der San Francisco Giants mit ihrem Homerun-König Barry Bonds in die Ferien geschickt. Danach brach endgültig Baseball-Fieber im Süden Floridas aus, nachdem selbst die vielen Siege mit McKeon den Zuschauerschnitt zunächst nur gelinde angehoben hatten. Binnen weniger Stunden waren die Tickets für die Heimspiele gegen die Cubs ausverkauft. „Das ist ein großer Markt, der nur darauf gewartet hat, sich wieder in die Marlins zu verlieben“, freut sich Klub-Präsident Samson. Und nicht nur Jack McKeon hofft, dass der Spaß diesmal etwas länger dauert als 1997. MATTI LIESKE