Umfragen ersetzen die Wahlen

Knapp zwei Wochen vor der NRW-Kommunalwahl wird mit Umfragen Stimmung gemacht. Meist geben Parteien und Lokalzeitungen die Prognosen in Auftrag. Politologe kritisiert rasanten Anstieg

VON MARTIN TEIGELER

Wenige Tage vor dem Urnengang werden die Kommunalwähler in NRW mit immer neuen Umfragen beeinflusst. Regionale Tageszeitungen, Lokalradios oder Parteien veröffentlichen so viele Prognosen wie noch nie. Gestern Abend legte der WDR nach. Der Landessender brachte Infratest-Dimap-Umfragen aus acht großen NRW-Städten.

Nach der WDR-Umfrage dürfte die CDU am 26. September bei den Ratswahlen in Aachen, Bielefeld, Düsseldorf, Essen, Köln, Münster, Siegen und Wuppertal stärkste Fraktion werden. Auch bei den OB-Wahlen hat die CDU beste Chancen. Bis auf Aachen und Dortmund, wo die SPD-Amtsinhaber deutlich führen.

Forsa, Infratest-Dimap, Emnid – fast alle Meinungsforschungsinstitute bringen in diesen Tagen gut bezahlte Umfragen auf den Markt. Auch weniger namhafte Demoskopie-Firmen wie Start und Omniquest mischen in dem lukrativen Markt mit. Einige Anbieter kassieren von den Auftraggebern bis zu 20.000 Euro für ein telefonisches Meinungsbild unter 1.000 Wahlberechtigten. Kostengünstigere Erhebungen gibt es für 10.000 Euro.

Die Ergebnisse weichen dabei auffällig stark voneinander ab. So pendelt die Dortmunder SPD in Umfragen zwischen 29 und 39 Prozent. In Köln liegen die Grünen in der WDR-Umfrage bei 24 Prozent, die Bonner Meinungsforscher von Omniquest taxierten sie dagegen im Auftrag zweier Lokalzeitungen nur bei 18 Prozent. „Man wird bei der Wahl sehen, dass wir Recht haben“, sagt der Omniquest-Geschäftsführer Thomas Plitt. Die Firma mit rund 15 Mitarbeitern gehört zu den Newcomern in der Branche. „Das ist nicht einfach, der Umfragen-Markt in NRW ist abgesteckt zwischen den Großen“, so Plitt. Trotzdem hat auch sein Unternehmen mehr als ein Dutzend Aufträge für Umfragen im Kommunalwahljahr bekommen.

Auch Parteien kooperieren mit Meinungsforschern. „Wir werden von Forsa bis zur Landtagswahl 2005 begleitet“, sagt Susanna Weineck, Sprecherin der NRW-SPD. In unregelmäßigen Abständen präsentieren Partei-Manager Michael Groschek und Forsa-Chef Manfred Güllner demoskopische Daten. Bei der letzten Präsentation sprach das Duo Güllner/Groschek nur über günstige SPD-Umfragen für Oberhausen, verweigerte aber Zahlen für weniger genossenfreundliche Städte.

Der Parteienforscher Jürgen Dittberner sieht die Umfrage-Schwemme skeptisch. Die Zahl der Befragungen steige „rasant“ an. Es gelte nicht mehr wie früher der Konsens zwischen Meinungsforschern, Politik und Medien, eine Karenzzeit einzuhalten, um die Wähler nicht zu beeinflussen. Für die politische Kultur sei das „nicht erfreulich“, so Dittberner.