Hartz IV macht den Versicherern zu schaffen

Kunden von Lebensversicherungen sind durch die geplanten Neuregelungen bei der Arbeitslosenunterstützung verunsichert. Sollen sie ihre Verträge behalten oder kündigen? Verbände warnen vor voreiligen Schlüssen

Hartz IV verunsichert nicht nur die Betroffenen, sondern auch die, deren Geschäft die Sicherheit ist: die Versicherungen. „Im Moment gibt es sehr viele Anfragen“, sagt ein Berliner Vertreter der Volksfürsorge. Die Menschen fragten sich, ob und wann sie ihre Lebensversicherungen auflösen müssten. Der Grund: Das Arbeitsamt will von künftigen Arbeitslosengeld-II-Empfängern wissen, wie viel diese auf der hohen Kante haben. Bevor es Geld vom Staat gibt, muss das Angesparte abzüglich von Freibeträgen verbraucht werden. Auch die Einkommen von Lebenspartnern werden rigide angerechnet.

Für Empfänger des künftigen Arbeitslosengeldes II gilt ab 1. Januar 2005 nach den derzeitigen Regelungen ein Vermögensfreibetrag von 200 Euro pro Lebensjahr für Lebensversicherungen oder andere Rücklagen fürs Alter, und ein weiterer Freibetrag von 200 Euro für Vermögen. Riester-Renten und betriebliche Altersversorgungen werden nicht angerechnet. Ein 60-jähriger Langzeitarbeitsloser darf damit ab 1. Januar kommenden Jahres 24.000 Euro plus Riester-Rente anrechnungsfrei für das Alter auf der hohen Kante haben. Als langzeitarbeitslos gilt künftig im Prinzip jeder, der länger als ein Jahr keinen Job gefunden hat. Ihm stehen künftig noch maximal 345 Euro monatlich zur Verfügung, zudem werden Wohnungskosten übernommen, die den Ämtern als angemessen erscheinen.

„Für uns ist das eine ganz schwierige Situation“, sagt der Versicherungsvertreter. Wenn der Kunde eine Lebensversicherung vorzeitig kündige, mache der Verluste. „Wozu soll ich ihm dann raten?“, fragte der Versicherungsmann. Eine Umwandlung in die vor Hartz IV geschützte Riester-Rente sei zwar theoretisch möglich, aber sehr schwierig. Eine Umwandlung in eine betriebliche Altersvorsorge hingegen sei unmöglich, wenn die Betroffenen schon arbeitslos sind – in diesem Fall fehlt schlicht der Arbeitgeber. „Die Kunden sind verärgert.“ Neue Versicherungsverträge abzuschließen sei im Moment fast aussichtslos.

Aber auch Versicherten, die noch nicht arbeitslos sind, macht Hartz IV zu schaffen. Sie überlegen, ob sie ihre Versicherung auflösen und das Geld beiseite schaffen – oder dort anlegen, wo es vor Hartz IV geschützt ist: etwa bei selbst genutzten Eigentumswohnungen. Auch solche Anfragen gebe es im Moment, bestätigt der Versicherungsfachmann. In der Branche werden bundesweit bis zu 70.000 Kündigungen in diesem Jahr befürchtet.

Vielleicht reagiere die rot-grüne Bundesregierung auf den Druck der Versicherungswirtschaft, sagt Roswitha Steinbrenner, Sprecherin von Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS). Bei der Anrechnung von Vermögen, die für die Altersvorsorge angespart würden, sei das letzte Wort noch nicht gesprochen, vermutet Steinbrenner. Bislang hatte die Bundesregierung entsprechende Proteste von Betroffenen, Gewerkschaften und Sozialverbänden an sich abperlen lassen.

Für die Betroffenen aber gilt in jedem Fall: Bevor ein Vertrag gekündigt wird, sollte man sich ausführlich und unabhängig beraten lassen. „Niemand sollte jetzt überstürzt handeln“, rät Dorothee Winden vom Sozialverband Deutschland. Insgesamt sehe der Verband aber die Gefahr von Altersarmut durch die Hartz-IV-Regelungen. ROT