Maschinenpistolen für freie Bürger

Seit heute ist das unter Bill Clinton eingeführte Verbot des Verkaufs bestimmter Schnellfeuerwaffen wieder aufgehoben. Der Bush-Herausforderer John Kerry war für die Verlängerung des Verbots – und hat nun die Waffenlobby gegen sich

AUS WASHINGTONMICHAEL STRECK

Die Haltung der USA zum Waffenbesitz lässt sich mit einem Kettenraucher vergleichen, der auf die Frage nach dem größten persönlichen Risiko einen Flugzeugabsturz fürchtet und nicht den Krebstod. Trotz Terrorgefahr, der von der US-Regierung verbreiteten Angst vor Attentaten und allerorten verschärften Sicherheitsbestimmungen – das Recht auf uneingeschränkten Waffenkauf für jedermann ist seit heute wieder hergestellt.

Ein 1994 von Bill Clinton unterzeichnetes Gesetz, das den Verkauf von 19 Typen halbautomatischer Waffen verbot und nur auf zehn Jahre begrenzt war, lief gestern aus, da der Kongress es nicht verlängerte. Diese Schnellfeuerwaffen und Maschinenpistolen dürfen nunmehr in allen Waffengeschäften wieder frei verkauft werden. Die Waffenlobby ist zufrieden. Bürgerrechtler, Angehörige von Mordopfern und Ordnungshüter sind entsetzt. „Das ist doch Wahnsinn. Niemand kann ein unveräußerliches Recht haben, mit einer Maschinenpistole herumzulaufen“, schimpfte William Bratton, Polizeichef von Los Angeles.

Vergeblich hatten in den vergangenen Wochen Bürgerrechtsorganisationen in Fernsehspots und Zeitungen gegen die Untätigkeit des Parlaments und Bushs stillschweigende Duldung protestiert. Auf einer ganzseitigen Anzeige war das Konterfei von Ussama Bin Laden zu sehen mit der Überschrift „Terroristen können den 13. September kaum erwarten“.

Auch der demokratische Präsidentschaftskandidat John Kerry schlägt in diese Kerbe und wirft der Regierung vor, die nationale Sicherheit zu gefährden. Bush erleichtere den Terroristen das Handwerk, sagte er. Al-Qaida empfehle in ihren Handbüchern, sich einfach Waffen in den USA zu kaufen. „Warum macht Bush es den Terroristen einfacher und Polizisten schwerer?“

Kerry hatte bislang vermieden, das Thema Waffenkontrolle, ein rotes Tuch für viele US-Amerikaner, im Wahlkampf zur Sprache zu bringen. Viele Parteistrategen glauben, dass Al Gore im Herbst 2000 auch deshalb in entscheidenden Bundesstaaten verlor, da er sich damals für strengere Waffengesetze stark machte und die mächtige Waffenvereinigung „National Rifle Association“ (NRA) gegen sich aufbrachte.

Prompt folgte auf Kerrys Äußerungen die Reaktion der NRA. „Je öfter er seinen Mund öffnet, desto klarer wird, dass er ein Waffengegner ist“, wetterte Vizepräsident Wayne La Pierre. Sein Verband plant nun Wahlspots gegen Kerry und pumpt 20 Millionen Dollar überwiegend in den Wahlkampf der Republikaner.

Sogar Bush hatte vor einiger Zeit für eine Verlängerung plädiert, sollte ihm das Parlament ein Gesetz auf den Tisch legen. Um sich nicht mit der NRA anzulegen, ermunterte er seine Parteifreunde im Kongress jedoch nie zum Handeln. Diese wiederum redeten sich damit heraus, dass es wichtigere Gesetze zu verabschieden gelte, und ersparten so der Waffenlobby eine zweite Niederlage innerhalb einer Woche.

Vergangenen Donnerstag erhielten erstmals Familien von Mordopfern, die durch Schusswaffen getötet wurden, eine Entschädigung sowohl vom Waffenhersteller als auch Verkäufer. Im Fall der Heckenschützen, die im Oktober 2002 im Raum Washington zehn Menschen mit Präzisionsgewehren töteten, willigten in einer außergerichtlichen Einigung der Gewehrproduzent und Händler aufgrund fahrlässiger Waffenverbreitung in die Zahlung von insgesamt 2,5 Millionen Dollar ein. Rechtsexperten sehen darin einen Präzedenzfall. Rund 30.000 Menschen sterben in den USA jährlich durch Schusswaffen.