Ein Luftschloss nach Vorbild Europas

Auf ihrem Treffen in Bali beschließen zehn asiatische Länder eine gemeinsame Währungs- und Wirtschaftszone

BANGKOK taz ■ Böse Zungen werden nicht zu Unrecht behaupten, dass lediglich eine alte Vision unter neuem Label heraufbeschworen wird: Die Regierungschefs der Südostasiatischen Staatengemeinschaft (Asean) haben gestern die Gründung einer Wirtschafts- und Sicherheitsgemeinschaft nach europäischem Vorbild beschlossen. Während des Gipfels auf Bali unterzeichneten sie das „Bali Concord II“-Abkommen. Es sieht vor, einen gemeinsamen Markt ohne Handelsschranken bis 2020 zu schaffen.

Das Bestreben, sich als gemeinsamer Wirtschaftsraum stärker zu etablieren, ist keineswegs neu: Bereits auf einem Treffen im November 2002 in Phnom Penh war von Singapur und Thailand eine entsprechende Wirtschaftsgemeinschaft, kurz Asean Economic Community, angemahnt worden. In den 10 südostasiatischen Staaten leben rund 500 Millionen Menschen, das jährliche Handelsvolumen liegt bei mehr als 600 Milliarden Euro. Mit China und Japan sollte zudem die weltgrößte Freihandelszone mit 1,7 Milliarden Konsumenten geschaffen werden.

Ein gemeinsamer Markt nach EU-Vorbild, wie er den Asean-Mitgliedern jetzt vorschwebt, brächte konsequenterweise auch eine Währungsunion innerhalb Südostasiens mit sich. Das aber ist derzeit utopisch: Es dürfte 40 bis 50 Jahre dauern, bis eine Einheitswährung nach europäischem Vorbild kreiert werden könne, betonte denn auch Singapurs Premier Goh Chok Tong.

Dabei ist nicht nur die Frage, wie die ostasiatischen Nachbarn zu einer möglichen Währungsunion stünden. Auch andere Probleme im politisch und wirtschaftlich heterogenen Südostasien sind vorprogrammiert: Bereits bei der Umsetzung der Asiatischen Freihandelzone (Afta) hatte es in den vergangenen Jahren gehakt. Die ehrgeizigen Pläne von 1992 waren von einigen Initiatoren selbst blockiert worden. Der Streit hatte sich vor allem an der Automobilindustrie entzündet. Zwar ist es seit Januar dieses Jahres möglich, unter Afta-Bedingungen Fahrzeuge zu ex- und zu importieren, beispielsweise zwischen Thailand und Indonesien. Doch das klappt nicht überall: Als die Asean-Staaten vor drei Jahren beschlossen, die Importzölle für Autos aus der Region bis 2003 auf 5 Prozent abzusenken, hatte Malaysia seine ursprünglich gegebene Zusage wieder aufgekündigt, vor allem im Interesse des landeseigenen Autoherstellers Proton.

Protektionismus und politischer Zank schreckten Investoren ab und verhinderten, dass sich Südostasien unabhängiger von den USA und der EU machte. Hat man bereits innerhalb der Asean Probleme, sich zu einigen, so liegen die Schwierigkeiten bei der Errichtung einer pan-asiatischen Freihandelszone mit China, Japan, Südkorea und Indien erst recht auf der Hand. Ob sich das für Südostasien als nützlich erweisen wird, bleibt abzuwarten. China jedoch, das Land mit den meisten ausländischen Direktinvestitionen, dürfte von verstärkten Beziehungen zur Asean zusätzlich profitieren. Auf intensiveren Handel mit Südostasien hofft auch Indien, das bislang von ausländischen Investoren arg vernachlässigt wurde.

NICOLA GLASS

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