Moderne Gentechnik schafft Unfreiheit

Die Gegenveranstaltung zur Gentechnik-Konferenz in Köln zeigt, welche Fakten die Technik heute schon geschaffen hat

BIELEFELD taz ■ Während Ministerpräsident Peer Steinbrück den KongressteilnehmerInnen der ABIC 2004, der Industrie, Wissenschaft und Politik seine Aufwartung machte, richtete Umweltministerin Bärbel Höhn auf der anderen Seite des Rheins Grußworte an ein teils empörtes Publikum einer Gegenveranstaltung. Bis heute laufen in Köln der ABIC-Kongress und entsprechende Gegenveranstaltungen, organisiert vom BUND, Misereor, Attac und Brot für die Welt. Auf der Alternativ-Konferenz waren ExpertInnen aus Asien, Afrika und Europa eingeladen, die in ihren Ländern bereits leidvolle Erfahrungen mit gentechnisch veränderten Organismen machen mussten. Bauern, Menschen- und UmweltrechtlerInnen und Wissenschaftler kamen zu Wort.

In Indien befänden sich schon viele Bauern im Würgegriff der Gentechnikindustrie, sagt Afsar Jafri von der Research Foundation for Science, Technology and Ecology aus Indien und berichtet, dass viele indische Bauern mittlerweile jedes Jahr Saatgut nachkaufen müssten, da sich die Frucht nicht wieder aussäen lasse. Die Bauern hatten sich sich vom aggressieven Marketing der Firma Monsanto, die Saatgut für genmanipulierte Baumwolle vertreibt, überzeugen lassen. Zusammen mit der bekannten Umweltaktivistin Vandana Shiva und Bauern und Bäuerinnen vor Ort arbeitet Jafri daran, die Artenvielfalt für die Zukunft zu konservieren. Gentechnische „Wunderwaffen“ gegen den Welthunger lehnen sie strikt ab. „Wir haben selber eine ungeheure Vielfalt an Reissorten, die durch den Anbau von genverändertem Reis gefährdet ist. Mit Gentechnik kann man den Hunger auf der Welt nicht bekämpfen“, sagte Jafri.

Lovemore Simwanda aus Simbabwe berichtete auf der Gegenkonferenz von als Hilfslieferungen getarntem Genfood. In ihrem Heimatland wehre sich die Bevölkerung mittlerweile gegen die schleichende Enfürung der Gentechnik. „Wir brauchen eine Partnerschaft von Organisationen überall auf der Welt, um gemeinsam gegen die Gentech-Terroristen vorzugehen“, erklärte Irene Fernandez. Die Menschenrechtlerin aus Malaysia ist Teil des Pestizid-Aktions-Netzwerks Asien/Pazifik. In 13 asiatischen Ländern organisiert das Netzwerk eine Karawane für Nahrungssouveränität - ein Manifest für den gerechten Zugang zu Land, Wasser und Saatgut. „Transnationale Unternehmen haben den Bauern die Kontrolle über die Lebensmittelproduktion genommen. Wir kämpfen für das Recht auf unsere eigene Produktion von gesunden Lebensmitteln, auf unser Saatgut.“

Wie Irene Fernandez sehen auch europäische Bauern der Organisation „Via Campesina“ die einzige Chance in einer selbstbestimmten, ökologischen Landwirtschaft. „Gentechnik macht Schluss mit der bäuerlichen Landwirtschaft. Dann übernehmen einige wenige Firmen die Kontrolle über die Lebensmittelproduktion“, erläuterte der französische Bauer Gérard Choplin. Eine Koexistenz von genmanipulierten und gentech-freien Anbaugebieten hält er für unmöglich. Die Konsequenz für ihn: „Action please!“SIMONE BOECKER