Leichen sollen Fledderei zahlen

Weil das Sterbegeld weggefallen ist, bittet die Uniklinik Essen ihre zukünftigen Körperspender um eine Kostenbeteiligung an ihrer Bestattung. Andere Kliniken finanzieren dies aus eigenen Töpfen

VON NATALIE WIESMANN

Dass ein Mensch Geld machen kann, wenn er seinen Körper für medizinische Zwecke zu Verfügung stellt, ist ein Gerücht. Kein Gerücht ist die Meldung, dass die Uniklinik in Essen so genannte Körperspender bittet, sich an ihrer Beisetzung finanziell zu beteiligen. „Wir haben die Menschen, die mit uns eine solche Vereinbarung getroffen haben, um einen Kostenbeitrag gebeten“, bestätigt Elke Winterhagen, Direktorin des Instituts für Anatomie.

Die Begründung: Das Sterbegeld, das die Universität von den Krankenkassen bis Ende 2003 für die Bestattung von Sezierten erhielt, wurde im Zuge der Gesundheitsreform ersatzlos gestrichen. Aus diesem Grund suche ihr Institut nach einer alternativen Finanzierung. „Wir zwingen niemanden dazu“, sagt Winterhager. Das sei in den Medien falsch transportiert worden. Doch diejenigen, die sich in Zukunft für den Präparierkurs der Medizinstudierenden zur Verfügung stellten, müssten ihre Beerdigung etwa zur Hälfte selbst bezahlen.

Peter Rosenthal vom Bundesverband der Körperspender vermutet hinter der neuen Praxis der Uni Essen einen anderen Grund: „Sezierung im Anatomie-Unterricht kommt aus der Mode“, sagt er und beruft sich dabei auf eine Behauptung des berühmten Körperwelten-Ausstellers Gunther van Hagen. Laut ihm sei die Nachfrage an Körperspendern um 80 Prozent zurückgegangen. „Mit anderen Schwerpunkten wie der Gentechnik ist international mehr Anerkennung zu gewinnen“, sagt Rosenthal. Deshalb versuche man, Spender mit der Verkleinerung des Einzugsgebiets und neuerdings mit Erhebung von Gebühren abzuschrecken.

Eine These, die in einem Punkt jedoch nicht bestätigt werden kann: Die Geldeintreibungen der Essener Universitätsklinik sind keinesfalls Usus im Ruhrgebiet. Am Anatomischen Institut der Ruhruni Bochum will man von den Körperspendern weiterhin kein Geld für ihre Bestattung abverlangen. „Wir finanzieren das aus anderen Töpfen“, sagt Dirk Eulitz, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts. Auch das Zentrum für Anatomie und Gehirnforschung der Uni Düsseldorf finanziert die Bestattungen ihrer Leichen selbst. Doch seit Jahren sei Bedingung, so Mitarbeiterin Birte Häser, dass die Spender sich anonym bestatten ließen. Aber auch eine anonyme Beisetzung sei nicht billig: 1500 bis 2000 Euro gibt die Uni dafür aus. Und dafür karrt sie die Leichen über die holländische Grenze. „Dort ist es billiger“, sagt Häser. Immerhin seien es 80 bis 90 Menschen, die sie pro Jahr bestatten müssten.

Kostengünstiger begräbt das Anatomische Institut der Universität Münster seine sezierten Leichen: „Wir organisieren alles selbst“, sagt Bernhild Schräer, Ansprechpartnerin für Körperspender am Institut. Auch ein feierliches Begräbnis, auf Wunsch von Verwandten mit Beteiligung der Studierenden, würde von der Uni übernommen. Die Uni-Gärtner kümmern sich um die Grabpflege und andere Mitarbeiter übernehmen den Leichentransport. Jedoch habe man das Einzugsgebiet verkleinert, weil sich immer mehr Menschen bereit stellen würden. „Der Bedarf an Spendern ist bei uns gleich geblieben“, widerspricht sie dem Vorsitzenden des Körperspenderverbands.