Wählen ist reine Fleißarbeit

Für knapp 29.000 Kölner Teenager ist es das erste Mal: Bei der Kommunalwahl am 26. September mischen 16-Jährige mit. So richtig gut vorbereitet fühlen sich weder Berufsschüler noch Gymnasiasten

Von Ruth Helmling

Die Grünen umwerben Kölns 16-Jährige mit ihrem Wahlplakat „hip teens can vote“, die SPD veranstaltet eine Party in der Diskothek Roonburg, die CDU hat sich einen Kinospot einfallen lassen und die FDP geht mit Westerwelle im McDonald‘s auf Erstwählerfang. „Gemeinsam gegen sozialraub“ oder die PDS versuchenwegen ihres begrenzten Budgets eher mit „intensiven Gesprächen“, die potenzielle Wählerschaft für sich zu gewinnen. Für knapp 29.000 in Köln gemeldete EU-Europäer ist es am 26. September das erste Mal: Zwei Stimmen haben die 16- bis 20-Jährigen, eine ganze Menge Parteien stehen zur Auswahl.

Mit den meisten können die Erstwähler nichts anfangen. Bekannt sind die „Großen“: SPD, Grüne, CDU und FDP. Auch die „Grauen Panther“ oder die „Anarchistische Pogo-Partei Deutschland“, die in Köln nicht zur Wahl stehen, kramen die Jugendlichen bei einer Umfrage der taz aus ihrem Gedächtnis hervor. Weitgehend unbekannt sind Wahlbündnisse wie „gemeinsam gegen sozialraub“ oder die rechtsextreme „Pro Köln“.

Wofür die Hochglanzköpfe stehen, die reihenweise von den Laternenpfählen lächeln, oder was hinter den mehr oder weniger griffigen Slogans steckt, bleibt für sie vage. „Viel mehr als die Grundrichtung wissen wir eigentlich nicht“, muss Christiane (18) zugeben. Dabei sind die Berufsschülerin und ihre Freundin Christiane (ebenfalls 18) grundsätzlich an politischen Themen interessiert: „Arbeitsmarkt, Sozial- und Familienpolitik, Umwelt, Außen- und Gesundheitspolitik“ tragen die beiden Christianes nach einigem Überlegen zusammen. Sie wissen auch schon, wo sie ihre Kreuzchen setzen werden. Die eine wählt die Grünen, die andere will nichts verraten.

Bernd (19) schon. Er geht aufs Humboldt-Gymnasium am Kartäuserwall und wählt grün. „Bei uns im Ort sind die Grünen gegen die Einflugschneise, das finde ich gut“, begründet er seine Entscheidung. Die Grünen schneiden unter den Jungwählern am besten ab, weil sie ein eindeutiges Profil haben. Mit Umwelt kann jeder etwas anfangen. Sandra (19) und Stefan (18) wollen dann auch wie Klassenkamerad Bernd den Grünen ihre Stimme geben. Dass man schon ab 16 wählen darf, finden sie gut. „Da hat man sich auch schon vom Einfluss der Eltern gelöst“, sagt Bernd. Er meint aber auch: „Eigentlich haben wir keine Ahnung.“ Immerhin würden sie im Fach Sozialwissenschaften zurzeit auf die Wahlen vorbereitet.

Laut Lehrplan beherrschen die Schüler das demokratische System der Bundesrepublik seit der 8. Klasse. In der 10. lernen sie nochmals, wie das mit den Wahlen genau funktioniert. „Vor der Kommunahlwahl ist das natürlich umfangreicher, weil die Schüler auch weitaus interessierter sind“, erklärt Hildegund Thome-Meyer, Lehrerin am Humboldt-Gymnasium. Inwieweit die Schüler übers System hinaus Inhalte der Parteien erfahren, hänge auch vom Material ab. „Die Parteien versorgen die Jugendlichen leider sehr schlecht mit Infomaterial, das auf sie zugeschnitten ist“, klagt Thome-Meyer. Am Interesse der Jugendlichen liege es nicht.

Wählen wollen sie alle. „Wer nicht wählt, kann sich nicht beschweren“, erklärt Berufsschülerin Christiane, warum sie am 26. September ihre Kreuzchen machen will. Sie kann sich indes nur dunkel daran erinnern, jemals etwas über Wahlen und Parteien in der Schule gelernt zu haben. „Und wenn, dann war‘s stinklangweilig“, beklagt sie sich. Die Wirklichkeit sieht eben anders aus als das Curriculum der Bildungsminister. „Ich glaube, ich könnte gar nicht wählen“, meint Gymnasiastin Mehregan, die „fast 16“ ist. Sie würde zwar gerne, ist aber zu jung und wüsste auch nicht, wie. Bisher hat die Zehntklässlerin nach eigenen Angaben über Wahlen nicht viel gelernt. „Nur das US-System wurde uns ausführlich erklärt.“

Eine Jugendpartei, die sich wie die KIDitiative in Bergisch Gladbach oder die Junge Alternative in Zülpich für jugendrelevante Themen einsetzt, gibt es in Köln noch nicht. Mehregan und ihre Freundin Sonja (15) fänden eine Jugendpartei in Köln „auf jeden Fall“ gut. Und selbst mitmachen? „Nee. Eher nicht.“