Besuch aus einer anderen Welt

Schizophren: Wowereit empfängt Kanzler Schröder als Berlin-Besucher. Dabei muss der zum Rundgang bei Vorzeigefirma Universal gerade mal sechs Kilometer anreisen. Eine bürgerferne Posse

von STEFAN ALBERTI

Der Gast fährt in dunkler VW-Limousine nahe der Oberbaumbrücke vor. Er freue sich, ihn in Berlin willkommen zu heißen, hatte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) vorab verlauten lassen. Eine Posse. Der Mann heißt Gerhard Schröder und arbeitet seit Jahren als Bundeskanzler in Berlin. Ganze sechs Kilometer Anfahrt hat der vermeintliche Besucher, um aus dem Regierungsviertel hierher zu Universal Music zu kommen. Kaum genug, den VW warm laufen zu lassen. Und offenbar doch Lichtjahre entfernt. Es ist eine Posse mit trauriger Beweiskraft. Vergangene Woche war von einer Studie zu lesen, dass Berliner so wenig Ängste haben wie sonst nur wenige Deutsche.

Um eine Sache aber sorgen sie sich doch, und zwar weit mehr als um Arbeitslosigkeit: um bürgerferne Politiker. Der Kanzler als Besucher in der eigenen (Arbeits-)Stadt. Was könnte die Studie besser belegen?

Kurz vor zwölf war Wowereit bei Universal vorgefahren, um eine Vorzeigeansiedlung seines Senats zu präsentieren. Ein paar Minuten wartet er im Foyer des Unternehmens. Es kommt sonst kaum vor, dass der Regierende warten muss. Aber es kommt eben einer, der in der Hackordnung über ihm steht. Das Warten lohnt sich. Nach einem Rundgang wird Schröder seinen Parteifreund aufs Höchste loben. Auf einem guten Weg sieht er Berlin, und dass das so ist, sei „ein persönliches Verdienst des Regierenden Bürgermeisters“.

Es ist bis auf den Autoverkehr ruhig draußen. Ein paar hundert Meter weiter südlich, am Schlesischen Tor, brodelt das Leben, einen Kilometer nördlich im Boxhagener Kiez noch mehr. Kein Besuchsort für den Kanzler. Er arbeite 12 bis 16 Stunden am Tag: „Das führt dazu, dass ich wenig von dieser wunderbaren Umgebung mitbekomme.“

Zwei Wochen zuvor war Wowereit mit dem Bundespräsidenten zum Antrittsspaziergang unterwegs. Köhlers Ruf nach einem „Best of“-Museum à la MoMa löste Debatten aus. Der Kanzler hält sich mit so etwas zurück, mag nicht in Länderkompetenzen eingreifen. Er beruhigt ein bisschen in der Debatte um die Hauptstadtklausel und bekräftigt die Bahnanbindung für den Flughafen Schönefeld: Das werde so gemacht wie vereinbart.

Nach zweieinhalb Stunden Universal lassen die Fahrer der VW-Karossen vor dem Universal-Eingang die Motoren wieder an. Wowereit will dem Kanzler auch noch den Wissenschaftsstandort Adlershof zeigen. Die VWs rauschen ab. Ein Blick aufs Schröders Kennzeichen. K für Köln. War eben ein Besucher.