KARLSRUHE SCHÄTZT VOR ALLEM DEN NACHWUCHS DER REICHEN
: Ungerechte Steuergeschenke

Dass Karlsruhe vor allem die Kinder der Reichen schätzt, ist nichts Neues. Ende 1997 hat das Gericht das steuerliche Existenzminimum von Kindern neu definiert und stark erhöht. Unmittelbare Nutznießer waren nur die Gutverdienenden. Denn nur wer viel Steuern bezahlen muss, kann auch hohe Steuerfreibeträge nutzen. Eine parallele Erhöhung des Kindergelds hat Karlsruhe damals nicht gefordert. Und in einer gestern veröffentlichten Entscheidung hat das Gericht seine damalige Linie jetzt bestätigt: Soweit das Kindergeld über den jeweils nutzbaren Steuervorteil hinausgeht, ist es nur Sozialleistung und damit dem Zugriff des Gesetzgebers ausgesetzt.

Damit bleiben die Kinder der Reichen das Maß der Verfassung. Wenn der Gesetzgeber die Gnädigkeit hat, das Kindergeld zu erhöhen, haben die Verfassungsrichter zwar nichts dagegen. Eine gleich starke finanzielle Förderung von armen und reichen Kindern ist damit allerdings nach wie vor nicht gegeben und wird von Karlsruhe auch nicht gefordert. Dabei entzieht sich der Begriff „Existenzminimum“ eigentlich jeder Relativierung. Wenn bei Reichen die Ausgaben für Klavierstunden oder Tennisunterricht pauschal von der Steuer abgezogen werden dürfen, dann müsste dies alles auch bei der Höhe des Kindergelds berücksichtigt werden. Dass der Staatshaushalt dies im Moment nicht hergibt, kann kein Argument für die Ungleichbehandlung sein, schließlich haben auch die Karlsruher Steuergeschenke für die Reichen den Haushalt belastet. Die richtige Lösung kann deshalb nur lauten: Der Steuervorteil muss so reduziert werden, dass das Kindergeld auf gleiche Höhe steigen kann.

Anders sieht es bei der jüngst von der Bundesregierung aufgebrachten Diskussion um ein einkommensabhängiges Elterngeld als Ersatz für das bisherige Erziehungsgeld aus. Damit soll auch gut verdienenden Eltern das Kinderzeugen schmackhaft gemacht werden. Angesetzt wird dabei aber bei den Eltern und ihrem bisherigen beruflichen Erfolg und nicht bei den Kindern und ihrem Existenzminimum. CHRISTIAN RATH