DIE SCHULE IST AN DEUTSCHLANDS BILDUNGSMISERE NICHT ALLEINE SCHULD
: Kinder fördern – Eltern fordern

Die OECD kommt wieder einmal zu niederschmetternden Ergebnissen für Deutschland. Heute wie damals im Jahr 2000 bei der Pisa-Studie stellen ihre Bildungsexperten fest: Wer in Deutschland nicht schon als Kleinkind auf den richtigen Schul- und Ausbildungsweg gesetzt wird, hat später kaum noch eine Chance. Die Mühlen des deutschen Schulwesens produzieren nur Spreu, aber keinen Weizen. Daran hat sich skandalöserweise nach vier Jahren Pisa-Diskussion nichts geändert.

Nun sind die Zahlen wirklich alarmierend: In deutschen Kindergärten kommen fast doppelt so viele Kinder auf eine Erzieherin wie in anderen Industrieländern. Wie da die Nachkommen aus „bildungsfernen Schichten“ – früher sagte man Arbeiter- und Ausländerkinder – den Vorsprung ihrer Altersgenossen aus besser gestellten Kreisen aufholen sollen, kann nicht einmal der diskussionserfahrenste Kultusminister erklären. Und später werden sie dann schnell separiert: Es gibt fast so viele Schulformen wie Fußball-Ligen, von der Sonderschule bis zum Internatsgymnasium für die Wohlhabenden. Die Dummen jeden Grades bleiben unter sich, haben weder Vorbilder in der Schulklasse noch auch nur ansatzweise ausreichend Lehrer mit der entsprechenden Ausbildung. So weit, so schlecht.

Allein: Das Schulsystem ist nur eine Seite der Medaille. Die andere ist das Elternhaus. Auch die Eltern müssen mehr gefordert werden. Ihnen muss klar sein, dass jedes Kind einen Anspruch auf Bildung hat. Das bedeutet nicht, dass jedes Kind schon im Kindergarten zweisprachig aufwachsen muss, dass es zu Turn-, Musik- und Bastelstunden gefahren wird. Aber es bedeutet, dass ein Kind mit anderen spielen kann, dass es etwas sinnvoll erklärt bekommt, dass es mannigfaltige Geschichten hört. Wenn nun die OECD-Studien zeigen, dass bestimmte Gruppen der Bevölkerung ihre Kinder nicht ausreichend fördern, dann brauchen diese Eltern Anstoß von den Kitas, Schulen und Behörden, sie brauchen verbindliche Kurse, Vorladungen, Spezialprogramme, Spielzentren. Hier muss der Staat investieren, weil es sich lohnt – jede Mark im Bildungssystem bringt mehr als irgendwo sonst. REINER METZGER