Der Mini-Chomeini

Wer ist Mir Hossein Mussavi? Das fragen sich jetzt Menschen im Iran, die jünger als dreißig sind. Sie stellen fast 60 Prozent der Bevölkerung. Auch im Ausland ist der ehemalige Ministerpräsident, der vergangene Woche seine Kandidatur zu der Präsidentschaftswahl im Juni anmeldete, weitgehend unbekannt.

Der am 28. September 1941 in Kermanschah geborene Mussavi ist ein Taschenformat des Ajatollah Chomeini, behaftet mit der revolutionären Ideologie der Gründungsjahre der Islamischen Republik. Er studierte Architektur, übernahm nach der Revolution die Chefredaktion der Zeitung der Partei der Islamischen Republik. 1980 wurde er nach der Absetzung des damaligen Staatspräsidenten Abolhassan Banisadr zum Außenminister ernannt. Kurz nach dem Beginn des Iran-Irak-Kriegs (1980–1988) übernahm er als Ministerpräsident die Regierungsführung bis August 1989. Danach wurde das Amt des Ministerpräsidenten abgeschafft, und die damit verbundenen Befugnisse wurden auf den Staatspräsidenten übertragen. In seine Amtszeit fielen Massenhinrichtungen und eine harte Repressionswelle.

Mussavi verschwand von der politischen Bühne und hüllte sich zwanzig Jahre lang in Schweigen. Zwar ist er Mitglied des Schlichtungsrats, eines Gremiums, das bei Konflikten zwischen dem Parlament und dem Wächterrat vermitteln soll, aber da die Sitzungen nicht öffentlich sind, fiel er auch dadurch nicht auf. Nun steht er abermals im Rampenlicht. Zu seinen Verdiensten zählt man, dass er während seiner Amtszeit als Präsident die Kriegswirtschaft organisiert hat. Das Land war völlig isoliert, der Westen und die arabische Welt standen hinter dem Angreifer Irak, die USA versuchten, das neue Regime in Teheran durch einen Wirtschaftsboykott zu schwächen. Mussavi organisierte ein strenges Rationalisierungsprogramm und Lebensmittelmarken. Geschätzt werden auch seine Ehrlichkeit, Standhaftigkeit und dass er nicht korrupt sein soll – bei einem ranghohen Politiker eine rühmliche Ausnahme. Weshalb aber Mussavi von manchen Medien als Reformer dargestellt wird, bleibt fraglich. Er selbst sagte, er zähle sich sowohl zu den Reformern als auch zu den Konservativen. Sein Ziel sei die Einheit. Er stütze sich auf die „Barfüßigen und Habenichtse“, für die die „Werte der islamischen Revolution eine weitaus größere Bedeutung haben als das tägliche Brot“. Zum umstrittenen Atomprogramm sagte er: „Die großen Errungenschaften unserer Wissenschaftler auf dem Gebiet der Nukleartechnologie“ seien „unverrückbar“. Das Land werde mit Entschlossenheit den begonnenen Weg fortsetzen.

BAHMAN NIRUMAND

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