Ohne Job, ohne Chance

Dienstleistungsgewerkschaft ver.di beklagt massive Einsparungen bei der Weiterbildung und sieht keine Besserung auf dem Lehrstellenmarkt

Die hohe Arbeitslosigkeit in Hamburg geht nach Ansicht der Gewerkschaft ver.di mit auf das Konto des Senats. „Die Regierung ist mitverantwortlich, weil sie bei Weiterbildung und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen spart“, rügt Roland Kohsiek, zuständig für Bildung, Wissenschaft und Forschung bei der Dienstleitungsgewerkschaft. Derzeit seien in der Hansestadt gerade einmal 4500 Menschen in Weiterbildung, 2002 waren es noch beinahe doppelt so viele. Bei den Neueintritten zählt ver.di sogar einen Schwund von 64 Prozent. Kohsiek warnt: „Der erhebliche Rückgang an qualifizierten Weiterbildungsangeboten verschlechert die Chance für Arbeitslose massiv, einen neuen Arbeitsplatz zu finden.“ Zugleich sei die Existenz der knapp 300 Hamburger Weiterbildungsträger mit bis zu 2.500 Mitarbeitern bedroht.

Vor allem Langzeitarbeitslose und Behinderte leiden unter den Einsparungen bei der Weiterbildung. Sie sind im Vergleich zu 2002 in den Bildungsmaßnahmen extrem unterrepräsentiert, wie die Bundesanstalt für Arbeit ausgerechnet hat. „Die aktuellen Hamburger Arbeitslosenzahlen weisen einen dramatischen Anstieg der Langzeitarbeitslosenquote um 25,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat aus“, beklagt auch Claudia Falk vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Hamburg. Menschen, die seit über einem Jahr arbeitslos sind, machten die größte Gruppe unter den Erwerbslosen aus. Der DGB kritisiert darum den Plan der Bundesregierung, Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammenzulegen. Falk erklärt: „Gerade Langzeitarbeitslose drohen dadurch zu verarmen.“

Wie berichtet waren in Hamburg Ende September knapp 85.000 Menschen ohne Job. Das sind 9.250 mehr als vor einem Jahr. Mit Beginn des neuen Ausbildungsjahres suchten noch 660 Jugendliche und damit 200 mehr als im Vorjahr eine Lehrstelle. Zugleich gab es in Hamburg noch knapp 100 offene Lehrstellen, 60 weniger als vor einem Jahr. Bei den Arbeitsämtern waren im Laufe der vergangenen zwölf Monate 9400 Ausbildungsplätze registriert, 1200 weniger als im Jahr davor. Die Handelskammer hingegen zeigt sich zufrieden und meldet mit rund 7.500 Vertragsabschlüssen ein Plus von 2,6 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.

Gewerkschafter Kohsiek ist dennoch pessimistisch. Er sagt: „Die Situation ist dramatisch.“ Der Bildungsexperte weist darauf hin, dass mehr als die Hälfte der neuen Auszubildenden keine reguläre Lehre antritt, sondern eine überbetriebliche Ausbildung absolviert. „Die Zahlen zeichnen ein falsches Bild.“

In Hamburg dürfen derzeit nur 9000 der rund 150.000 Betriebe überhaupt ausbilden. Davon bieten lediglich 4200 Ausbildungsplätze an. Zum Vergleich: Im Bundesdurchschnitt stellt jedes zweite Unternehmen Lehrlinge ein. EVA WEIKERT