berliner szenen Taxisüchtig

Kurzstrecke abgewürgt

Nervös zappelnd wartete ich auf die vier leuchtenden Buchstaben, die mir Erlösung versprachen: TAXI. Vor etwa einem Monat hatte ich beschlossen, mein Geld in Taxifahrten zu investieren, solange der Boden mit gefrorenem Wasser aufwartet. Nun, wo die ersten Cafébetreiber die Tische nach draußen stellen, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Ich bin taxisüchtig. Mein bester Freund ist der Kurzstreckentarif, da er so gut wie alle Strecken des täglichen Bedarfs abdeckt. Zwei Kilometer nämlich. Viel größer ist das von mir abgesteckte Gebiet des Alltags eh nicht.

Ich komme entspannt und ohne Neonlichtattacken in einer überfüllten Tram von der Oranienburger zur Eberswalder oder von der Danziger zum Rosenthaler, und viel mehr brauch ich auch nicht. Doch diese Bequemlichkeit hat auch Nachteile. Mein „Ghetto“ seh ich nur noch durch Autoscheiben, und auch die Taxifahrer werden langsam ungehalten. Denn der 3,50-Tarif ist ihr finanzieller Tod. Dass sie keine 50-Cent-Münzen rausgeben können, sobald es ans Bezahlen geht, ist mir nicht neu. Dessen ungeachtet wartete ich nun wieder auf die Höllenbrut, die sich Taxifahrer nennt, denn ich war bereits zu spät für irgendwas und musste dringend irgendwie irgendwo hin. Ein Taxi hielt: „Mit Kurzstrecke in die Torstraße bitte!“ Der Motor ging aus. „Ich hab’s eilig!“ Der Motor blieb aus. „Tut mir leid, ick hab den Wagen abgewürgt und jetzt springta nich mehr an.“ Grummelte der Fahrer.

Panisch sprang ich hinaus auf der Suche nach der nächsten Dosis. Zehn Sekunden später hielt der Motorabwürger auf der anderen Straßenseite, um eine Gruppe feuchtfröhlicher Schweden mitzunehmen. Was für eine skrupellose Branche, an die ich da geraten bin. JURI STERNBURG