Hermann und die Schreckensmänner

Vor 2.000 Jahren besiegte Arminius drei römische Legionen unter Publius Quinctilius Varus. Vorgestern wurde in der Landesvertretung NRW die Kurzversion eines Grabbe-Stücks zur Schlacht gegeben. Langweilig war das nicht

2009 ist wieder sehr historisch: vor zwanzig Jahren gab’s die Wende, vor 2.000 Jahren die Hermannsschlacht. Damals, im tiefsten West-Deutschland, verloren drei römische Legionen unter dem Feldherrn Publius Quinctilius Varus überraschend gegen ein vom Cheruskerfürsten Arminius geführtes Heer der vereinigten Germanen. Da Arminius von seinen Freunden auch Hermann genannt wurde, ging die Schlacht im Teutoburger Wald unter dem Namen „Hermannsschlacht“ in die Annalen ein. Sympathisanten der Römer sprechen auch von der „Varusschlacht“.

Christian Dietrich Grabbe (1801–1836), einer der „Schreckensmänner der deutschen Literatur“ (Arno Schmidt), schuf aus dem Stoff ein blutrünstiges Theaterstück, das 1934 uraufgeführt und im Nationalsozialismus als „glühendes Denkmal unseres Volkes“ gefeiert wurde. Danach war die Hermannsschlacht nicht mehr so beliebt. Nur einmal – 1995 – versuchte sich Armin Petras in Chemnitz an einer Fusion der Grabbe’schen und Kleist’schen Hermannsschlacht.

Nun, zum Auftakt des Hermannjahrs, das im Westdeutschen ähnlich ausgiebig gefeiert wird wie hierzulande 1989, nahm sich das Landestheater Detmold des Grabbe-Stücks wieder an. Christian Katschmann und Kay Metzger jagten den usprünglichen Text durch die Assoziations- und Referenzmühle. Heraus kam ein Crossover aus Grabbe, Heiner Müller, Elias Canetti, Nietzsche, Ulrike Meinhof, Heinrich Himmler, Hitler und Stalin, zum Thema Nation, ermattete Zivilisation vs. opfermutig glühende Heldenherzen usw. Ein Stimmengewirr mit viel Musik, das im Februar seine gefeierte Uraufführung erlebte und nun im preisgekrönten Gebäude (Holz- und Stahlbaupreis) der Landesvertretung Nordrhein-Westfalen einmalig gastierte.

Es war eine seltsame Veranstaltung, mit der auch für die vielfältigen Kulturangebote des Hermannjahrs geworben werden wollte: die 2.000-Jahre-Varusschlacht-Ausstellung (größte Archäologieausstellung, die je in Deutschland zu sehen war) oder schöne Wettbewerbe wie „Hau den Hermann“, Bootsfahrten in römischen Galeeren etc. Im Publikum waren Politiker, Presse, Freunde der Landesvertretung, der Bundestagspräsident und zahlreiche Exzellenzen. Ein Staatssekretär begrüßte das Publikum mit einer so gebildeten wie launigen Rede: Damals habe Germanien sozusagen als Ostblock der Antike gegolten.

Über das ursprünglich dreistündige Stück lässt sich kaum urteilen, da es in einer fast um die Hälfte gekürzten Version gespielt wurde. Ob die Kritik – viel zu viel reingestopft – auch auf die Langversion zutrifft? Keine Ahnung. Langweilig ist es jedenfalls nicht. Hermann hat rasierte Achseln; am Ende gibt es Auszüge aus Himmlers Posener Rede, ein Grönemeyer-Lied und das Struck-Zitat von der Freiheit, die auch am Hindukusch verteidigt werden müsse. Das Titelbild des Programmheftes zitiert das Sgt.-Pepper’s-Album der Beatles, nur eben mit deutscher Prominenz. Beim Lesen der vielen Zitate in Sachen Heldentum, Nation etc. denkt man, dass es nicht für ein Stück spricht, wenn es meint, sich mit so viel Geistesprominenz absichern zu müssen.

Danach gab es ein opulentes deutsch-italienisches Buffet. In der Schlange sprach jemand amüsiert über eine Veranstaltung der Stadt Wuppertal, mit Schriftstellern aus Wuppertal, die ein „völliges Fiasko“ gewesen sei. Ich kam ins Gespräch mit einem freundlichen emeritierten Professor. Ihm hatte die Hermannsschlacht nicht so gut gefallen. Das mache aber eigentlich nichts. Veranstaltungen in Botschaften sind vielleicht so etwas Ähnliches wie Ausstellungseröffnungen, wo es ja auch in erster Linie um geselligen Austausch geht. DETLEF KUHLBRODT