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: Russischer Herbst

So. Jetzt ist es endgültig Herbst geworden. Kalt und nass und ungemütlich. Da ist es angemessen, sich mit heißem Tee und einer Decke vors Radio zu setzen und zuzulauschen. Oder mit einem Wodka und russischem Zupfkuchen – und schon wären Sie gerüstet für eine lange Hörspielreihe im Deutschlandfunk, die Sie nach Russland entführt. Ab heute, jeweils samstags und dienstags, bis zum 13. Dezember. Der Winter kann also kommen.

 „Zeitreserve Sibirien“ heißt das umfangreiche Programm. Entnommen ist der Titel einem Zitat von Heiner Müller, der Sibirien wegen seiner Ausdehnung und Leere als eben solche „Zeitreserve“ bezeichnet hat. Trotz Kälte und Öde – oder gerade deshalb? – ist Sibirien ein Ort, an dem sich so manche gute Geschichte ausdenken lässt. Den Beweis erbringen die verbrüderten sibirischen Autoren Oleg und Wladimir Presnjakow. Ihre Komödie „Europa – Asien“ ist der Auftakt der Sendereihe (Sa., 20.05 Uhr, DLF). Ihr Stück beginnt genau an der Grenze zwischen Europa und Asien. Eine als Hochzeitsgesellschaft getarnte Räuberbande wartet auf Ausländer, die sie abfüllen und finanziell ausnehmen kann. Doppelbödig und selbstbewusst spielen die Brüder mit den Klischees vom ewig besoffenen Sibirier in einem rückständigen und eisigen Land. Und es gibt auch Historisches. Zum Beispiel ein Stück über die Fürstin Maria Wolkonskaja, die Muse Alexander Puschkins, die ihm 5.000 Kilometer in die Verbannung folgte – allein in einer Kutsche. Oder die Hörspielversion von Anton Tschechows „Insel Sachalin“, in der er seine achtmonatige Reise im Jahr 1890 zu der Sträflingsinsel beschreibt. Außerdem hat die Redaktion in den Archiven des DDR-Hörspiels gekramt. Denn besonders in den Siebziger- und Achtzigerjahren hatten Schriftsteller wie Schukschin, Wampilow und Rasputin einen großen Einfluss auf den Kulturbetrieb im Ostteil Deutschlands. Das genaue Programm hat sich übrigens unter www.dradio.de versteckt.

 Und wer immer noch nicht genug hat, der kann sich auch von Hörbüchern was Russisches auf die Ohren geben lassen. Beim Hörbuch Hamburg ist eine „Russische Literaturgeschichte“ auf vier CDs erschienen, pünktlich zum Russland-Schwerpunkt auf der Frankfurter Buchmesse. Puschkin und Gogol, Tolstoi und Dostojewski, Solschenizyn und Sorokin. Sogar Anna Achmatowa. Der Lyrikerin und ihrer Kollegin Marina Zwetajewa hat der Hörverlag eine CD gewidmet. „Stimmen der Leidenschaft“ heißt sie.     VERONA VON BLAUPUNKT