Rotwein mit filigranem Holzduft

Wer „Rioja“ sagt, denkt unmittelbar an Wein. Der ist das Flaggschiff dieser nordspanischen Region an Rio Ebro und Rio Oja. Am Pilgerweg nach Santiago de Campostela gelegen, bietet sie auch eine abwechslungsreiche Landschaft und Geschichte

von EDITH KRESTA

Kennen Sie Spanien? Die Rioja? Den Rioja kennen Sie bestimmt. Diesen kräftigen Rotwein bringt Aldi unters Volk. Denn immerhin ist der Discounter inzwischen der größte Abnehmer für importierte Riojaweine in Deutschland, und das zu Preisen, wie sie in der Region selbst unvorstellbar sind. Wer „Rioja“ sagt, denkt unmittelbar an Wein. Die Riojo, das ist Nordspanien pur. Mit ihren grünen Bergen, den Wäldern, Weingärten und Feldern am Ufer des Ebro steht die Landschaft in starkem Kontrast zu der trockenen Ebene Kastiliens. Es ist das ländliche, zu Reichtum gekommene Spanien, wo die Weine schwer und rot, die Klöster steinalt, die Stierkampfarenen voll, die Speisen bodenständig, die Traditionen lebendig und viele Bewohner klein und stämmig sind. Wo an den Kneipen noch ein Schild „prohibido cantar“ – Singen verboten – angebracht ist und die Blutwurst (Morcilla) manchmal süßlich, manchmal herb gwürzt ist.

Wenn die Pilger auf dem Weg nach Santiago de Campostela den Ebro überqueren, gelangen sie direkt in die Altstadt von Logroño, der Hauptstadt der automen Republik Rioja. Ende September ist hier Weinfest. Am Marktplatz vor der Kathedrale de la Redonda brennen zahlreiche kleine offene Feuer. Hier wird das Holz der alten Rebstöcke verbrannt, auf die Glut legt man dann die riesigen Roste mit den Koteletts darauf. Heute, an San Mateo, ist Lammkotelettwettessen, und die ganze Stadt scheint auf den Beinen zu sein. 440 Kilo Fleisch werden gebraten. 50 Euro kostet ein Tisch am Platz. Wer die meisten abgenagten Knochen vorzuweisen hat, gewinnt. Antonio Gil sitzt hier mit Freunden und verspeist konzentriert seine Koteletts mit roten, eingelegten Paprikas. „Zur besseren Verdauung“, wie er sagt. Letztes Jahr war sein Tisch Sieger.

Ausgerichtet werden die Feierlichkeiten zu San Mateo von den Peñas, den Vereinen, die das Gemeinschaftsleben, die Tradition pflegen. Hannah mit den geklöppelten dicken weißen Strümpfen, dem blumigen Schultertuch, den bunten Ohrringen und dem dirndlähnlichen Kleid tanzt seit 23 Jahren in einer Peña. Von der Bühne auf dem Platz trällert aus riesigen Lautsprechern ein Sänger leidenschaftlich eine Jota, den spanischen Jodlgesang: „In Rioja bin ich aufgewachsen, hier möchte ich bleiben …“

Die Brüder Urdiales sind sicherlich schon immer hier. Sie stampfen wie jedes Jahr an San Mateo den Wein im großen Bottich, indem sie sich gegenseitig an den Schultern abstützen. Der so gepresste erste Most gehört der Jungfrau von Valvarena, die ihren Platz in der Kathedrale hat.

Der Wein ist der Reichtum der Rioja. Mit dem Beitritt Spaniens zur EG war der Weg zum Erfolg geebnet. Vor allem in Deutschland haben die Weine aus der Rioja seit Mitte der 90er-Jahre einen grandiosen Markterfolg. Der Weinbau reicht bis zu den Römern zurück, und schon im Mittelalter war er ein wichtiger Wirtschaftsfaktor der Region. Mitte des 19. Jahrhunderts zerstörte die Reblaus die Ernte der französischen Weinbauern. Sie holten nun den Wein aus der Rioja und trugen auch zur Verfeinerung der dortigen Produktion bei. In einem Dekret von 1926 wurde erstmals ein Kontrollrat eingerichtet, der die Fälschung des Namens „Denominación de Origen Rioja“ überwachen sollte. 1991 schließlich erlangte Rioja DO durch ministeriellen Erlass das Gütesiegel Califada: DOC. Rioja hat als einzige Region Spaniens den Spitzenstatus einer kontrollierten Herkunftsbezeichnung.

Bekannt ist der rote, schwere, holzige Wein mit langer Reifung in Eichenfässern, die den Holzgeschmack abgeben. „100 Prozent Tempranillo-Traube, Rot der Wildkirsche, gehaltvoll, elegant, ernst mit feiner Säurestruktur.“ Viele Bodegas haben aber auch auf den Ausbau in Edelstahltanks umgestellt. Der Trend geht weg vom schweren, holzigen zu leichteren, fruchtigen, auch weißen Weinen. Die Jahresproduktion beträgt im Durchschnitt 190 Millionen Liter Wein. 75 Prozent sind Rotwein, der Rest ist Weißwein und Rosé.

In Avalos befindet sich eine der ältesten Bodegas Spaniens aus dem 14. Jahrhundert. Hier werden noch heute 225.000 Flaschen Wein produziert. Sie lagern in alten Kellergewölben in den typischen 225-Liter-Eichenfässern, die auch für das Gleichgewicht der Säure sorgen. Moderner geht es in unmittelbarer Nähe der Stadt Laguardia zu. Hier entwarf der Spanier Santiago de Calatrava die Designer-Bodega Ysios: Unter dem etwa 200 Meter langen, wellenförmigen Dach lagern 1,35 Millionen Flaschen und 4.000 Fässer.

Spitzenweine hängen vom Jahrgang und der Lagerung ab. Eine Gran Reserva wurde mindestens zwei Jahre im Eichenfass und weitere drei Jahre in der Flasche ausgebaut. Eine Reserva wurde mindestens drei Jahre ausgebaut, davon ein Jahr im Eichenfass. Ein Crianza muss im dritten Reifejahr sein und davon ein Jahr im Eichenfasss. Dieser Ausbauprozess ist charakteristisch für die Riojaweine und unterscheidet sie von den Weinen aus anderen Anbauregionen. Nach der Lagerung in Barriquefässern aus Eichenholz reift der Wein noch eine bestimmte Zeit lang in der Flasche.

In Fässern von 225 Litern soll das Verhältnis von Holz und Wein am idealsten sein. Und dass ausgerechnet Eichenholz den besten Geschmack durch Vanillin und Tannin im Wein hinterlässt, habe man bei der Überfahrt nach Amerika entdeckt, denn an Bord wurde der Wein in Eichenholzfässern gelagert, erzählt Maria Vivanco, deren Familie seit Jahrzehnten Fässer produziert. Das Holz bezieht die Böttcherei aus Frankreich und Amerika.

Haro, in der oberen Rioja gelegen, ist das Zentrum des Weinanbaus. Die Kleinstadt mit den schönen alten Häusern wirkt wohlhabend. Das Viertel La Estación liegt am Zusammenfluss vonEbro und Rio Oja, von dem die Region ihren Namen hat. La Estación – der Bahnhof wurde 1880 von französischen Weinbauern errichtet, deren Weinberge die Reblaus vernichtet hatte und die nun Wein aus dem Rioja importierten. Viele der Bodegas in Estación stammen aus dieser Zeit. Nach Haro kommen viele spanische Touristen in Reisebussen, aber auch Ausländer auf Bodega-Tour. Dort können sie ihren ganz persönlichen Weinfavoriten und die ganz persönliche Traubenmischung aus Tempranillo, Granacha und Mazuelo entdecken. Die Auswahl ist groß. Dazu die gute Küche: Chorizo, die Paprikawurst, in Verbindung mit Kartoffeln, Muscheln oder Migas (Gericht aus Brotsamen). Gutes Essen und den passenden Wein mit der richtigen Temperatur, im geeigneten Glas und in angenehmer Atmosphäre respektvoll genießen – das entmystifiziert noch jede Kennermiene.

www.larioja.org/turismo