irak/türkei
: Bushs verprellter Verbündeter

Wieder mindestens 47 Tote nach einem Bombenanschlag mitten in Bagdad, 12 weitere tote Polizisten nach einem Angriff auf einen Polizeitransporter in Bakuba und weitere tote US-Soldaten nach Schüssen auf eine Militärpatrouille. Die Bilanz eines gewöhnlichen Tages im Irak ist ein Desaster für die USA und ihren irakischen Regierungschef Alawi. Was immer sie tun, die Gewalt nimmt nicht ab, sondern eher zu.

KOMMENTARVON JÜRGEN GOTTSCHLICH

Man sollte meinen, dass sie in einer solch fatalen Situation für jede Unterstützung dankbar sind, doch das Gegenteil ist der Fall. In einer ausgedehnten Militäroperation schießt die US-Armee seit Tagen die fast ausschließlich von der turkmenischen Minderheit bewohnte Stadt Tall Afar aus der Luft und vom Boden aus zusammen. Massive Proteste der türkischen Regierung, an die sich die Turkmenen Hilfe suchend gewandt haben, wurden in Washington schlicht ignoriert. Erst als der türkische Außenminister Abdullah Gül zornig ankündigte, dass die Türkei ihre Zusammenarbeit mit den USA im Irak beenden werde, falls die US-Armee die Turkmenen weiterhin zur Zielscheibe machen würde, gab man sich in der US-Hauptstadt ganz erstaunt und wollte wissen, was denn damit gemeint sei.

Die Bush-Regierung ist generell nicht dafür bekannt, besonders pfleglich mit Verbündeten umzugehen. Doch dass sie jetzt, wo sie im Irak ganz offensichtlich allein auf verlorenem Posten steht, aus Ignoranz oder Dummheit auch noch ihre Nachschublinien riskiert, ist fast nicht zu glauben.

In der Türkei hat sich seit Monaten enormer Frust gegen Washington angestaut. Das hängt damit zusammen, dass die USA ihre Freunde in Ankara immer wieder mit leeren Versprechungen abspeisen – etwa wenn es darum geht, die PKK daran zu hindern, vom Nordirak aus ihre mittlerweile fast täglichen Angriffe durchzuführen. Wenn nun auch noch US-Truppen neben kurdischen Milizen gegen die turkmenische Minderheit im Nordirak vorgehen, könnte selbst die in vielfältiger Weise von den USA abhängige türkische Regierung genötigt sein, sich aus dem Irak abzusetzen.

Wie die Supermacht mit immer weniger Verbündeten und immer größeren Problemen das Land stabilisieren will, weiß Präsident Bush vermutlich so wenig, wie sein russischer Kollege Putin weiß, wie er Frieden im Kaukasus schaffen soll. Die Abwärtsspirale, angetrieben von staatlicher Gewalt und Terror, dreht sich immer schneller.