gottschalk sagt
: Dies Verbrechen lohnt nicht

CHRISTIAN GOTTSCHALK: Die Kolumne am Donnerstag

Die Zeiten müssen wirklich schlecht sein, wenn Verbrecher sich ein solches Verbrechen ausdenken, wie es neulich der Express unter der Überschrift. „Ticket-Betrug! Fälscher zocken KVB ab!“ beschrieb. Diese Superganoven kauften sich KVB-Kurzstreckenkarten für 1,20 Euro, entfernten die Aufschrift 1,20 und ersetzten sie per Hand, mit Stift und Schablone, durch höhere Werte: Bis zu 10,40 Euro waren die Karten anschließend wert. Ich dachte ja immer, das Attraktive am Verbrechen wäre, dass man bei geringem Zeit- und Arbeitsaufwand viel verdient.

Einzelfahrscheine, die es nur am Automaten gibt, zu besorgen, erfordert nicht nur den Einsatz größerer Mengen Kleingeld, sondern auch viel Geduld, da KVB-Automaten nicht jedes hergelaufene Euro-Stück akzeptieren. Die Fahrscheine müssen dann zu Hause in Handarbeit verändert werden, wofür ein geschickter Fälscher sicher einige Minuten braucht, fünf bis zehn vielleicht, und dann kommt noch der Vertrieb dazu. Entweder versucht man, die Karten aufwändig einzeln an arglose KVB-Kunden zu verkaufen oder an Leute, die wissen, dass sie gefälscht sind, dann muss man deutlich im Preis runtergehen. Ginge man davon aus, dass Erwachsene die Täter sind, dürften die Segnungen von Hartz IV den Spuk beenden: Es lohnt sich dann nicht mehr.

Der „Insider“, den der Express zitiert, hat die Hosen voll: „Aus Angst vor bestimmten Personen, die diese Fahrscheine verkaufen, möchte ich anonym bleiben.“ Aufgrund aller Hinweise kann KHK Gottschalk den ganzen Fall in etwa analysieren. Die „bestimmten Personen“ sind vermutlich Sascha und Hakan aus der 8 b. Den Insider nennen wir mal Marcel. Marcel wurde von Sascha und Hakan aus dem Ticketfälschergeschäft gedrängt, weil auch er Jaqueline „schon irgendwie total süß so“ findet, aber Hakan mit Jaqueline gehen will. Marcel denkt sich: „Isch geh‘ Express!“ und schreibt wörtlich in seinen Brief: „Der Missbrauch ist mittlerweile sehr hoch.“

Weil Jaqueline jetzt sowieso mit einem Spinner aus der zehn geht, können sich Sascha, Hakan und Marcel wieder zusammen tun. Sie könnten 50 Cent in alte Express-Automaten schmeißen, alle Zeitungen rausnehmen und auf dem Schulhof verkaufen. Aber sie sollten auf Hakan hören: „Wenn ich 14 bin, kann ich richtig krasse Strafen kriegen. Dann hör‘ ich auf mit dem Scheiß!“