Einzug der Blonden und Blauäugigen

Wehrmachtsfahrzeuge will der Neonazi-Anwalt Rieger in Dörverden unterbringen. Bei Fruchtbarkeitsexperimenten sollen dort blonde und blauäugige Frauen mit dem Samen blauäugiger Männer befruchtet werden

Aus Dörverden Andrea Röpke
und Andreas Speit

In den frühen Morgenstunden trifft der Tieflader auf dem Heisenhof in Dörverden ein. Es ist noch dunkel, als sich mehrere Männer, angeführt von dem Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger, bemühen, die Wehrmachts- und Militärfahrzeuge auf dem ehemaligen Bundeswehrgelände im niedersächsischen Landkreis unterzubringen. Hektisch weist der 57-jährige Rechts-Anwalt aus Hamburg-Blankenese die überwiegend jungen Kameraden beim Entladen an. Als die Arbeit Rieger nicht zügig genug geht, klettert er selbst auf den Tieflader, um die historischen Fahrzeuge aus ihrer Verankerung zu lösen.

Musste doch gestern Morgen der Tieflader noch einmal zu einer Scheune im Landkreis Rotenburg fahren, damit alle Jeeps und LKWs sofort überführt werden konnten. Nicht die erste neonazistische Aktivität in den letzten Wochen auf dem parkähnlichen Gelände, mit vier Backstein- und Fachwerkgebäuden, das Rieger vor knapp zwei Monaten für rund 250.000 Euro erworben hat.

„Jeden Abend sind alle Gebäude beleuchtet, und draußen brennen die Laternen“, berichten Anwohner. Regelmäßig würden junge Männer in Tarnanzügen mit Funkgeräten und Hunden über das Gelände patrouillieren. „Die kommen sofort an die Pforte, sobald man sich der Einfahrt nähert“, erzählen sie weiter. Eine Familie mit zwei Kindern wurde schon gesichtet wie auch „blonde und blauäugige“ Männer, die die Hecke stutzten. Zwei Personen sind auf dem Heisehof gemeldet, bestätigt der Kreisrat. Sofort hätten die Bewohner Post vom Landkreis bekommen, da eine „Wohnungsnutzung auf dem Gelände nicht aufgenommen werden darf, da hierfür die erforderliche Baugenehmigung“ fehle.

Die beiden Aktivisten Jan Huß und Sascha Schüler reagierten nicht. Stattdessen teilte Rieger dem Landkreis schriftlich mit, dass er dies anders sehe. „Wir sind am Ball“, sagt der Kreisrat Roland Butz gegenüber der Lokalpresse. Alle erforderlichen Schritte würden unternommen. Bisher störten die behördlichen Schreiben Rieger jedoch nicht beim Aufbau des Neonazi-Zentrums. Auf dem Heisenhof will er als „Bevollmächtigter“ der „Wilhelm-Tietjen-Stiftung“ in Zukunft „Fruchtbarkeitsforschung“ betreiben und „blauäugige Frauen“ natürlich nur mit dem „Samen eines ebenfalls blauäugigen Mannes“ befruchten (taz berichtete).

Gegenwärtig kommen zu dem Hof vor allem Rieger-Hintersassen aus Nienburg und Rotenburg. Bietet das Anwesen doch alles, was die militanten Rechten sich von einem Zentrum wünschen: Kaum einsehbares Gelände für Wehrsportübungen und im Keller mehrere mit Luftschächten ausgestattete Schießstände. 50 Meter vom Heisenhof entfernt liegt noch ein alter Truppenübungsplatz. Kleine Spritztouren durchs Gelände hat Rieger mit Kameraden schon oft unternommen.

Als sein Fuhrpark Mitte der 1990er Jahren noch in einer Scheune am Altengammer Hausdeich bei Hamburg stand, bastelten die jungen Kameraden nicht nur an den Fahrzeugen. Angeführt von Rieger fuhren sie auch zu einem „Veteranentreffen“ auf dem Bundeswehrübungsplatz Höltigbaum. Nicht ohne Folgen: Polizisten hielten Rieger auf der Landstraße nach Barsbüttel an, weil ihnen der restaurierte VW-Kübelwagen der SS-Panzerdivision „Hitlerjugend“ mit Rieger im Kampfanzug aufgefallen war. Wegen der „Verwendung von verfassungsfeindlichen Zeichen“ verurteilte ein Hamburger Amtsgericht den Anwalt gut ein Jahr später zu einer Geldstrafe.

Aber auch die Sorge um seinen Fuhrpark könnte ihn zu der Verlagerung der Fahrzeuge auf den Hof bewegt haben. Im August erst war im Nachbargebäude der Scheune Feuer ausgebrochen.