Das 3001 wartet mit „Heremakono“ auf das Glück
: Von Bildern, die nach Tagen aufflackern

Es ist ein langsames Leben, eingehüllt in Staub. Ein Mann vergräbt sein Radio im Sand. Menschen in bunten Gewändern warten auf das einzige Taxi. Auf dem Dorf Nouadhibou an der mauretanischen Küste liegt der Wüstenstaub wie Mehltau. Doch unter der Lethargie flackert immer wieder Unruhe auf – denn der Ort ist kein Platz zum Verweilen, sondern eine Zwischenstation ins Ungewisse. Alle sind auf dem Absprung irgendwohin – am liebsten in den Norden, nach Europa. Doch Hitze, Sandsturm oder die angeschwemmte Leiche eines Bootsflüchtlings sind für die meisten Ausreisewilligen Grund genug, die Reise gar nicht erst anzutreten. Was bleibt, sind die riesigen, ausrangierten Frachtschiffe, die als schiefe Trutzburg am Strand stehen. Sie fahren nirgendwo mehr hin – so wie der Großteil der Menschen.

Regisseur Abderrahmane Sissako erzählt in Heremakono – Warten auf das Glück seine eigene Lebensgeschichte – die eines jungen Mannes auf der Durchreise. Auch er hat sein Glück versucht, ist erst nach Moskau auf die Filmhochschule gegangen und lebt inzwischen in Frankreich.

Sein Alter Ego im Film, der 17-jährige Abdallah, kommt noch einmal in sein Heimatdorf zurück, um seinen Pass zu holen und seine Mutter zu besuchen. Er trägt schon westliche Kleidung und macht sich gar nicht erst die Mühe, den örtlichen Dialekt zu lernen. Durch sein winziges Fenster auf Bodenhöhe sieht Abdallah nur die Sandalen der Vorbeiziehenden – doch die begrenzte Sichtweise stört ihn nicht – er interessiert sich ohnehin nicht für seine Umgebung. Allein die scheue Prostituierte Nana weckt seine Neugier. Sie ist die einzige, die schon im gelobten Land Europa war – aber von der Welt dort kann sie nichts Gutes berichten.

Auf dem Filmfestival in Cannes wurde Warten auf das Glück mit dem Preis der internationalen Kritik ausgezeichnet. Die Jury des wichtigsten afrikanischen Filmfestivals von Ouagadougou prämierte ihn als besten Film. Der Film, so hieß es in der Urteilsbegründung, sei eine Parabel auf die Gegenwart und Zukunft Afrikas – einem Kontinent in Wartestellung.

Symbolisch für den Konflikt zwischen Tradition und Veränderung sind die beiden Elektriker Maat und Khatra. Während der 12-jährige Lehrling Khatra noch mit Feuereifer auf der Suche nah der „Erleuchtung“ ist, nimmt sein Meister Maat es als Wink des Schicksals, wenn eine Glühbirne einfach nicht brennen will. Er fragt sich ohnehin, „ob die Leute das Licht überhaupt brauchen“.

„Warten auf das Glück“ ist ein Film, der sich leise ins Bewusstsein setzt. Man muss seine Sehgewohnheiten umstellen, um die Bilder in ihrer Langsamkeit aufnehmen zu können. Zum Teil entfalten sie sich erst Tage später im Kopf. Dann flackern sie unvermutet wieder auf, die kleinen Momente des Glücks: Das Mädchen, das auf einmal eine Phrase so singen kann wie eine erwachsene Frau oder der kleine Khatra, wie er mit seinem Meister durch die Wüstendämmerung wandert – eine leuchtende Glühbirne hinter sich herziehend.

Carolin Ströbele

Bis zum 22.9. wochentags, 19 Uhr, 3001