Bundesstraße als Schulreformweg

Grundgesetzänderung gefordert: Bremer Grüne betätigen sich in Bildungsdebatte als Bundespolitiker – auch wenn eventuelle Bündnispartner noch nicht auszumachen sind

Bremen taz ■ Mit einer Grundgesetzänderung wollen die Bremer Grünen die Bildungsreform voranbringen. Das teilten gestern Partei-Vorstand Dieter Mützelburg und die bildungspolitische Sprecherin der Bürgerschaftsfraktion, Anja Stahmann, mit. Anlass der Forderung: Die von der Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) am Dienstag vorgestellte Studie „Bildung auf einen Blick“. Diese hatte zur bundesweiten Debatte übers traditionelle dreigliedrige Schulsystem geführt – so hatte unter anderem Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) offen Partei für eine „Gemeinschaftsschule“ ergriffen. Zugleich hatte die Kultusministerkonferenz scharfe Kritik an der Untersuchung geübt.

Das bezeichnete Anja Stahmann gestern als „ziemlich peinliche Nummer“. Gerade in Bremen zeige sich, dass es zwar nach Pisa ein „Potpourri an Maßnahmen gegeben“ habe, die Ziele jedoch verfehlt worden seien. So haben 10 Prozent der Schüler des Kleinstaats im vergangenen Jahr den ersten Bildungsweg ohne Abschluss verlassen. „Was fehlt, ist eine erkennbare Leitlinie.“ Ihr Fazit: „Wir brauchen ein gemeinsames Vorgehen.“

Dafür soll nach Grünen-Vorstellung künftig der Bund sorgen können: „Wir fordern“, so steht es in ihrer so genannten „Bremer Erklärung für einen modernen Bildungsföderalismus“, „das Grundgesetz so zu ändern, dass der Bundestag künftig gesetzgeberische Kompetenzen im Bildungsbereich erhält“.

Die zentralstaatlichen Interventionen sollten allerdings „an verbindliche Vorgaben“ geknüpft sein – sprich: sich auf jene Fälle beschränken, in denen „keine bundesweite Einigung“ erreicht werden könne. Damit würden nicht die Länder entmachtet, „sondern lediglich ihrer Allmacht Grenzen gesetzt“, so Dieter Mützelburg.

Einen „Versuch, den Föderalismus abzuschaffen“, sieht darin gleichwohl Claas Rohmeyer (CDU). „Dem Bundestag hier eine gesetzgeberische Kompetenz zu verleihen“, sagte der bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion auf Nachfrage, „löst die Probleme nicht.“ Der Weg, „dass sich die 16 Bundesländer einigen“ sei aus seiner Sicht der weitaus bessere. Das ist traditionell die Aufgabe der Kultusministerkonferenz: Tatsächlich haben sich die Bildungsminister in diesem Gremium vergangenen Dezember auf einheitliche Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss verständigt, eine gleichartige Vereinbarung für die vierten Klassen ist spruchreif.

Noch unklar ist, wo die Bremer Grünen Koalitionspartner für ihren Verfassungs-Vorstoß finden. So ist die föderale Bildungshoheit in Niedersachsen zwar ein Thema, wie es aus der Landtags-Fraktion heißt. Es sei jedoch „noch keineswegs ausdiskutiert “. Einigkeit herrscht jedoch bei den Grünen in der Einschätzung, „dass bislang zu wenig Konsequenzen aus Pisa gezogen wurden“. Anders sehen das die zuständigen Landesminister. Während das Bremer Bildungsressort betonte, man habe seither „so viel auf den Weg gebracht, dass mehr nicht zuzumuten“ sei, forderte Niedersachsens Kultusminister Bernd Busemann (CDU) in seiner gestrigen Regierungserklärung ein Ende der Debatte.

Beistand erhielten die Grünen jedoch von der Uni Bremen: „Eher ginge ein Kamel durch ein Nadelöhr als dass Deutschland seine selektiven Schulstrukturen in Frage stellen würde“, kommentierte Pädagogik-Professorin Petra Milhoffer sarkastisch die Abwehrhaltung der Landespolitik ob der Reform-Diskussionen. bes