„Hölle von einem Wettbewerb“

Angeführt von Bernhard Langer, müssen Europas Golfer beim Rydercup in Oakland Hills einmal mehr den amerikanischen Nationalismus über sich ergehen lassen

BERLIN taz ■ Wenn Golfer Golf spielen denken viele: Lass die Golfer mal Golf spielen, dieses distinguierte und feine Solistengetue. Golf, der Individualistensport mit dieser Etikette, dem Imageproblem und den immensen Sieg- wie Werbegeldern. Wenn indes alle zwei Jahre, wie an diesem Wochenende zum 35. Mal, der Rydercup ansteht, ist alles völlig anders. Beim großen Mannschafts-Kontinentalduell USA versus Europa sind Emotionseruptionen und giftiger Teamspirit Teil der großen Golfshow. Und mit Bernhard Langer ist erstmals ein Deutscher Europas Teamkapitän.

Vor dem Abflug nach Oakland Hills bei Detroit posierte Langer, 47, mit den Zollbeamten am Flughafen und jener Trophäe, die Europa vor zwei Jahren in Birmingham überraschend gewonnen hatte. Er freute sich, dass es für den Pokal aus purem Gold keinen Sonderausfuhrzoll gibt und versicherte, dass „er und das gesamte Team alles tun werden, um ihn wieder nach Europa zu bringen“. Notfalls wird auch Einfuhrzoll bezahlt.

Beim Rydercup geht es um alles in der Golfwelt, und er ist einer der ungewöhnlichsten Wettkämpfe der Sportwelt. Die verwöhnten Millionarios verdienen keinen Cent, weder Euro- noch US-. Es geht um die große Ehre, wie es in den Sonntagsreden heißt, in Wahrheit um ein gnadenloses emotionengeschütteltes Prestigeduell, einen Nervenkrieg in der „Hölle von einem Wettbewerb“, wie es einer mal nannte. Egoismen sind vergessen, man ist nicht sich, sondern dem Team verantwortlich. In den USA ist Rydercup das Sportereignis des Jahres. Weltweit werden 800 Millionen Zuschauer den Showdown an Driver und Putter live verfolgen (in Deutschland nur im Bezahlfernsehen Premiere).

Die USA mit vier Toptenspielern der Weltrangliste haben, wie so oft, die besseren Individualisten. Der Weltranglistenvierte Phil Michelson sieht Europa dennoch als Favorit. Aber auf solches Underdoggeklapper muss man nichts geben, sagen die Gegner. „Der europäische Teamgeist wird uns Vorteile bringen“, unkt Bernhard Langer. „Ich glaube, es wird sehr eng.“ Langer, der das Kapitänsamt „den Traum meiner Karriere“ nennt, hat Anfang der Woche, ganz neu und teamgeistfördernd, seine zwölf Spieler mit einer Art Soziogramm vorab mitentscheiden lassen, wer gern mit wem in den Doppeln zusammen spielen möchte.

Contenance und Sportsmanship sind Fremdworte beim Rydercup. Da toben die Spieler über die Grüns, es wird geflucht, gefeiert und gebrüllt wie unter Fußball-Hooligans. Golf wird zum Furor, wo man Nerven wie Drahtseile braucht. Allein den ersten Schlag des Turniers machen zu müssen, gilt als schlimmes Schicksal. Davor zittern allen die Knie. 2002 verzichtete der neue Weltranglisten-Zweite Tiger Woods, der eine beschämend schwache Rydercup-Bilanz hat, auf diese Ehre.

Die Zuschauer sind ein eigenes Kapital. Jeweils knapp 40.000 werden von Freitag bis Sonntag den Platz in Michigan säumen. In den USA, wo jede noch so unfaire und blindwütige Unterstützung als naturgegebener Patriotismus gilt, haben sich beim Rydercup zweimal, 1991 und 1999, mehrheitlich unsportliche Szenen abgespielt. Europas Spieler wurden in der Konzentration gestört, angepöbelt, verlacht, behämt. Der schwabbelige Colin Montgomerie bekam zu hören: „Hübsche Titten, Monty!“

Alle erwarten neue Rüpeleien. US-Spieler Jim Furyk hofft ausdrücklich, dass „die Fans extremely rowdy“ sein mögen. Der arme französische Debütant Thomas Levet, Feigling aus „Old Europe“, wies seinen Caddie an, ihn bei den Trainingsschlägen übungsweise zu beleidigen, um den Wettkampf zu simulieren. Langer sagt: „Das Verhalten der Fans können wir leider nicht kontrollieren. Wenn da einer ein paar Bier zu viel getrunken hat und meint, er müsse jetzt aus voller Kehle in den Rückschwung eines meiner Spieler hineinschreien – was soll ich dagegen machen? Amerikaner sind unheimlich nationalistisch.“

BERND MÜLLENDER