Jupp muss gehen

Nach vier Bundesligaspieltagen und nur drei gewonnenen Punkten entlässt Schalke 04 etwas überraschend Trainer Heynckes. Der Verein hat freilich nicht nur sportlich ein ziemliches Problem

AUF SCHALKE HOLGER PAULER

„Wir werden jetzt mal in Ruhe darüber reden und dann schauen wir mal, dass wir zu einem vernünftigen Ergebnis kommen“, hatte Schalke-Manager Rudi Assauer noch am Samstag nach der 0:3-Niederlage in Wolfsburg gesagt, nachdem er zum Zustand der Mannschaft, vor allem aber zur Zukunft seines Trainers Jupp Heynckes befragt wurde. Vier Tage später ist es mit der Ruhe vorbei. Heynckes wurde gestern entlassen. Nach nur vier Bundesliga-Spielen, in denen der FC Schalke 04 nur drei Punkte einfuhr. Die fußballerische Vernunft, um noch einmal zu Assauer zurückzukehren, deutete wohl auf Entlassung.

In der WDR-Sendung „Sport im Westen“ am Sonntag waren bereits erste Risse im Verhältnis zwischen Assauer und Heynckes zu erkennen. Der Manager beschrieb seinen Trainer als „kompliziert“ im Umgang mit der Mannschaft. Aber: Er wolle den zehnten Bundesligaspieltag abwarten, bevor eine Zwischenbilanz gezogen werden könne. Das Datum wurde nun vorgezogen. „Wir haben in vielen Gesprächen mit allen Beteiligten den Eindruck gewonnen, dass das Verhältnis zwischen Trainer und Mannschaft nicht so intakt war, um auf absehbare Zeit Besserung herbeizuführen. Dies sah Jupp Heynckes in unserer abschließenden Unterredung ähnlich“, beschrieb Assauer gestern die Entscheidungsfindung. Die Verantwortung für Training und Spiel haben vorerst die bisherigen Co-Trainer Eddy Achterberg und Oliver Reck. Assauer: „Wir setzen uns jetzt nicht unter Druck, sondern werden in Ruhe nach Lösungen suchen.“

Einen Tag vor dem Uefa-Cup-Hinspiel gegen Liepajas Metalurg wirkt die Entscheidung gewagt. Sie verdeutlicht aber nur den angeschlagenen Zustand des Vereins samt Umfeld. Die Nerven lagen schon am letzten Wochenende blank. Kapitän Frank Rost stellte direkt nach dem Spiel das ganze Konstrukt in Frage: „Es ist nicht alles allein unsere Aufgabe, dafür haben wir hoch bezahlte Trainer und Manager“, sagte er. Die rhetorische Entsprechung der bisherigen Spielweise. Seit drei Jahren ist kein Fortschritt, kein auf Dauer funktionierendes System zu erkennen.

Genau das sollte sich ja ändern. Mit unbescheidenen Investitionen in Sachen Spielermaterial. Mit den Verpflichtungen von Torjäger Ailton und den überragenden Abwehrspielern der letzten Bundesligajahre, Mladen Krstajic und Marcelo Bordon, waren die Ziele schnell abgesteckt: Qualifikation für einen internationalen Wettbewerb, mittelfristig die deutsche Meisterschaft. Mindestens. Der Druck war hoch, zu hoch.

Vor allem weil es finanziell um den Verein nicht allzu gut steht. Im abgelaufenen Geschäftsjahr hat der Klub etwa 19 Millionen Euro Verlust eingefahren. Zuletzt hatten sich die Schalker bei einer Investorengruppe Anleihen in Höhe von 85 Millionen Euro besorgt. Undurchsichtige Geschäfte zwischen Verein und Stadt um das alte Parkstadion konnten laut Berichten der Süddeutschen die Deckungslücke wenigstens halbwegs schließen. Doch auf Dauer scheint der Verein ohne Einnahmen aus internationalen Wettbewerben nicht konkurrenzfähig. Dortmunder Verhältnisse drohen. Und auch die Äußerungen Rudi Assauers, zur Not könne man die Arena AufSchalke „innerhalb von zehn Minuten verkaufen“, stoßen auf Unverständnis. Die plötzliche Entlassung von Jupp Heynckes zeugt von der angespannten Lage.

Wer wird Nachfolger? Nimmt man die Schalker Einkaufspolitik der letzten Jahre als Maßstab, dürfte es sich um die gehobene Trainerklasse handeln: Hitzfeld, Daum – wenn eine Verpflichtung denn finanziell machbar ist. Einer hat sich unfreiwillig selbst ins Gespräch gebracht: „Ich habe den Wunsch, eine Vereinsmannschaft zu übernehmen. Nach sieben Jahren beim DFB beginnt es wieder zu kribbeln“, sagte Uli Stielike zur Sport-Bild. Wer immer es wird – er hat die bescheidene Aufgabe, einen ganzen Verein vor dem Absturz zu retten. Sportlich wie finanziell.