Brustumschlagfalte

Die erste Live-Schönheits-OP bescherte RTL viel Kritik und zwei Millionen Zuschauern eine Sternstunde des Mediums

Schon im Vorfeld wurde die erste Live-Übertragung einer Brustvergrößerung im deutschen Fernsehen als perverser Tabubruch geschmäht. RTL konterte, die vollständige Darstellung des Eingriffs diene der kritischen Aufklärung. Während also Michaela (21) mit abgedeckter Visage unter Vollnarkose einem Leben als Sexbombe entgegendämmerte, kam die Aufklärung durch die Achselhöhle.

Dort setzte der Chirurg seinen ersten Schnitt. Klaffend genug, um die Hand komplett in der Brust verschwinden zu lassen – aber doch unsichtbar, weil die Wunde selbst sich dem Blick entzog. „In die Achselhöhle einer Frau schaut man nicht so oft“, kommentierte Joachim W. Hecker seinen operativen Ansatz und tupfte rasch das Blut ab. Genau genommen kommentierte der Chirurg sein Tun mit der Ausdauer eines QVC-Moderators, der über die Vorzüge eines Tischstaubsaugers monologisiert. Nur hin und wieder wurde er von RTL-Moderator Markus Lanz mit kritisch aufklärenden Fragen unterbrochen: „Kritiker würden ihnen jetzt entgegenhalten …“

Wovon Hecker sich freilich nicht irritieren ließ, denn „das ist eben unsere moderne Gesellschaft“, „in den USA ist man längst weiter“ und „in Amerika habe ich gute Informationen erhalten, wie solche Operationen erfolgreich durchzuführen sind“. Inzwischen würden so viele Implantate „eingebaut“, dass er in seiner Klinik inzwischen Nachtschichten schieben müsse. Der Facharzt für plastische Chirurgie wies darauf hin, wie wichtig es sei, „dass man sich an einen Facharzt für plastische Chirurgie wendet“. Auch wurden wir mit dem kostbaren Fachbegriff „Brustumschlagfalte“ vertraut gemacht. Allein dafür hat sich das Zuschauen gelohnt.

Als es endlich darum ging, die Silikonkissen in der ausgehöhlten Brusttasche zu verstauen, fand der arme Moderator sogar zur RTL-Version investigativer Schärfe. Lanz: „Wonach richten Sie sich da ästhetisch?“ Hecker, unabweisbar ein Mann: „Nach meinem Blick.“ Gut zu wissen. Wie es aber mit den Spätfolgen sei, wollte Lanz wissen, Milchdrüsen und so, „was das Frausein eigentlich ausmacht: Kinder“. Noch besser zu wissen.

Als der Journalist mit den Chirurgen einmal über die Größe der Implantate zankte, da blitzte kurz sogar das Genre der Sportmoderation auf. Würde RTL das gefilmte OP-Geschehen mit den zahlreichen Handlangern um die aufgebockte Patientin schneller abspielen, es sähe aus wie beim Reifenwechsel in der Boxengasse bei Ferrari.

Es gab also allerhand zu lernen, lachen und lobotomieren an diesem denkwürdigen Abend. Denn auch ein perverser Tabubruch kann aufklären – fragt sich nur, worüber. ARNO FRANK