Finanzloch schluckt Steuerhilfe für Bahn

Die Koalition hatte eine Senkung des Steuersatzes für Fernreisen vereinbart. Nun will Eichel das nicht mehr. Grüne wollen daran festhalten. Die Bahn hält sich heraus und erhöht die Preise. Dafür besteht nun Anspruch auf Entschädigung bei Verspätung

VON BERT BUGDAHL
UND STEPHAN KOSCH

Die Bahn sorgt für neue Diskussionen zwischen SPD und Grünen. In ihrem Koalitionspapier hatten die Partner vereinbart, dass ab 2005 auf Tickets im Fernverkehr nur noch der halbe Mehrwertsteuersatz erhoben werden soll. Dieses Vorhaben droht nun dem Sparprogramm von Bundesfinanzminister Hans Eichel zum Opfer zu fallen. Dagegen regt sich Widerstand bei den Grünen.

„Im Bundeshaushalt ist dafür keinerlei Spielraum“, sagte Eichels Sprecher Jörg Müller gestern. Der Minister lehnt das Vorhaben generell ab, weil es den Staat rund 650 Millionen Euro koste. Bei zahlreichen anderen Bahnunternehmen in Europa gibt es bereits einen Mehrwertsteuerrabatt. Schon 2001 hat beispielsweise die Schweizer Bahn SBB die meisten Ticketpreise des internationalen Bahn-Personenverkehrs von der Mehrwertsteuer befreit und die Preisreduktionen an ihre Kunden weitergegeben.

In Deutschland gilt der Steuervorteil derzeit nur im Personennahverkehr. Die Koalition wollte ursprünglich mit dem Steuergeschenk Nachteile der Bahn gegenüber Fluggesellschaften ausgleichen, die weder Kerosin- noch Mehrwertsteuer bei Auslandsflügen zahlen müssen.

Albert Schmidt, der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, bemängelte im Gespräch mit der taz die „voreilige“ Äußerung von Eichel und hat diesem einen Finanzierungsvorschlag vorgelegt. Dieser sieht vor, dass der grenzübergreifende Flugverkehr wie die Bahn bisher ebenfalls einen Mehrwertsteueraufschlag für Auslandsflüge zahlen soll. Mit diesen geschätzten Zusatzeinnahmen von 500 Millionen Euro könnte der Staat im Gegenzug den halben Mehrwertsteuersatz für die Bahn leicht tragen, sagte Schmidt. Der Staat würde nämlich durch den Mehrwertsteuerrabatt im Schienenfernverkehr nach Schmidts Rechnung lediglich 230 Millionen Euro Einnahmen verlieren.

Die Bahn wollte sich in die Debatte nicht einschalten. Ein Sprecher verwies aber darauf, dass die Bahn steuerlich gegenüber dem Flugzeug benachteiligt sei. „Wenn wir eine Entlastung bekämen, versetzt uns das in die Lage, bei den Preisen attraktiver zu werden.“ Offen bleibt mit dieser Formulierung, ob die Bahn eine solche Senkung des Steuersatzes ohne Abstriche an die Kunden weitergeben würde.

Zu den Berichten über die geplante Preiserhöhung im Dezember bekräftigte der Sprecher, dass die Entscheidung noch nicht gefallen sei. Allerdings könne die Bahn die gestiegenen Energiepreise nicht über „konventionale Sparmaßnahmen“ ausgeglichen werden. Schmidt kann die drastischen Preiserhöhungsvorschläge der Bahn ohnehin nicht nachvollziehen. Würden die Energiepreiserhöhungen der Bahn auf die Tickets umgelegt, dürfte der Preisanstieg sich nur auf 0,4 und nicht auf 3,5 Prozent belaufen.

Als Trostpflaster für steigende Preise erhalten die Bahnreisenden immerhin schon ab dem ersten Oktober Entschädigung bei Verspätungen von Fernzügen. Demnach sollen Reisende 20 Prozent des Fahrpreises erstattet bekommen, wenn sie mit mehr als 60-minütiger Verspätung ihren Zielbahnhof erreichen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die Bahn für die Verzögerung verantwortlich ist, also zum Beispiel nicht im Falle eines Unwetters. Der Anspruch ist vor Gericht einklagbar – bisher waren Fahrgäste von der Bahn auf Kulanzbasis entschädigt worden. „Diese fällt nicht automatisch weg“, sagte der Sprecher der Bahn gestern. Damit begegnete er der Kritik, dass die gesetzlichen Ansprüche zum Teil hinter den Kulanzregelungen zurückblieben.