Ein Donnerwetter zur Halbzeit

Sie sind die natürlichen Verbündeten von Rot-Grün: Doch die Umweltverbände kritisieren zu wenig Mut und „Umwelt nicht als Querschnittsaufgabe“

VON BERNHARD PÖTTER

Eine gemischte Bilanz: „Der angekündigte Politikwechsel erreichte nur einzelne Bereiche. Große Erfolge stehen neben großen Enttäuschungen“, sagte die BUND-Vorsitzende Angelika Zahrnt – vor zwei Jahren mit Blick auf die ersten vier Jahre der rot-grünen Bundesregierung. Heute wird sie mit anderen Worten das Gleiche sagen: ein bisschen Licht und viel Schatten.

Denn auch bei der Halbzeitbilanz der zweiten Legislaturperiode haben die Umweltverbände BUND, Greenpeace, WWF, Nabu und VCD eine Menge zu kritisieren. Die vielen Beispiele aus den Bereichen Energie, Verkehr, Bauen, Finanzen oder Landwirtschaft zeigen aus Sicht der Umweltschützer: Rot-Grün nimmt seine eigene Koalitionsvereinbarung nicht ernst; Rot-Grün wirbt zu wenig für umstrittene Projekte wie die Ökosteuer und knickt zu schnell vor Lobbyinteressen ein; und schließlich: Rot-Grün scheitert am eigenen Anspruch, Umweltpolitik zu einer „Querschnittsaufgabe“ aller Ressorts zu machen.

„Die Koalition setzt ihre Versprechen für eine umweltschonende Mobilität nicht um“, sagte gestern der Chef des Verkehrsclub Deutschland (VCD), Michael Gehrmann. Zu viel Geld für den Straßenbau im Bundesverkehrswegeplan, das Desaster um die Lkw-Maut, lasche Regeln beim Treibstoffverbrauch und beim Schadstoffausstoß: „Der Bundesregierung fehlt der Mut“, so Gehrmann.

Diese Einschätzung teilen die anderen Verbände: Beim Emissionshandel kam die Regierung der Industrie weit entgegen. Die Chemikalienrichtlinie der EU wurde aus Deutschland heftig bekämpft. Der Flächenverbrauch geht weiter – wenn auch leicht gebremst. Ein Hauptziel der Agrarwende (20 Prozent Ökolandbau bis 2010) erscheint dem BUND „illusorisch“. Die Ökosteuer steht laut Koalitionsvertrag in diesem Jahr zur Überprüfung an – aber ihr Image in der Öffentlichkeit ist so schlecht, dass eine Ausweitung wenig wahrscheinlich ist. „Wo bleibt die offensive Werbung für ein solches Projekt?“, heißt es von den Umweltschützern. Zu wenig Begeisterung für die eigenen Projekte, zu wenig Widerstand gegen den Druck der Interessenverbände aus der Wirtschaft, lautet die Kritik. „Die Autoindustrie muss nur ein bisschen im Kanzleramt jammern, und schon werden Grenzwerte verwässert“, moniert der VCD. Greenpeace dagegen moniert, das neue Energiewirtschaftsgesetz fördere nicht die Energieeffizienz und „wird dem Klimaschutz nicht gerecht“.

Die Umweltverbände loben durchaus auch einzelne Fortschritte: So sei etwa die Förderung von Erdgas und Biodiesel für Pkw-Motoren richtig, der forcierte Ausbau der erneuerbaren Energien und die Beschränkungen für die grüne Gentechnik. Doch obwohl Deutschland eine umfassende „Nachhaltigkeitsstrategie“ verabschiedet hat, ist „Umweltpolitik nicht zu einer Querschnittsaufgabe der Regierung geworden“, heißt es aus den Umweltverbänden. Das „grüne Kabinett“ der Staatssekretäre zur Integration von Umweltthemen in die tägliche Politik „tagt nur alle paar Monate“, moniert Rüdiger Rosenthal vom BUND. Die Maßnahmen der Regierung werden nicht wirklich auf ihre ökologischen Folgen hin geprüft. Ganz im Gegenteil: Bei umstrittenen Fragen wie etwa dem Emissionshandel, dem Rußpartikelfilter oder dem Fluglärmgesetz gibt es zwischen den Ressorts heftigen Streit. Vor allem zwischen dem Umweltministerium und dem Wirtschaftsressort eskalieren die Auseinandersetzungen so weit, dass manchmal nur ein „Machtwort“ des Bundeskanzlers eine Einigung bringt – im Normalfall zur Freude der Industrie und zu Lasten der Umwelt.

Doch so harsch die Kritik an Rot-Grün auch ausfällt: „Wir sehen keine Alternative“, sagen die Umweltschützer. Denn die Verbände wissen sehr genau, dass eine CDU-regierte Bundesregierung die Lage nicht verbessern würde – ganz im Gegenteil. Und für manchen Umweltkämpfer ist der Wechsel auf die heftig kritisierte Regierungsseite auch kein Tabu, sondern konsequent. So lobte der ehemalige Chef des Naturschutzbundes (Nabu), Jochen Flasbarth, vor zwei Jahren Jürgen Trittin als „Deutschlands erfolgreichsten Umweltminister“ aller Zeiten. Heute arbeitet Flasbarth als Abteilungsleiter für Naturschutz beim Bundesumweltministerium.