Guantánamo Bay: ein Ort endloser Willkür

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz kritisiert die unbegrenzte Dauer der Inhaftierung von Taliban-Kämpfern

BERLIN taz ■ Kritik an den Haftbedingungen von Gefangenen äußern Vertreter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) im Allgemeinen nicht. Umso bemerkenswerter ist die Aussage von Christophe Girord, dem IKRK-Repräsentanten in Washington. Nach einem Besuch des US-Gefangenenlagers in Guantánamo Bay erklärte Girord am Donnerstag: „Man kann die Gefangenen nicht in dieser Lage auf unbegrenzte Zeit festhalten. Die völlig unbestimmte Dauer der Inhaftierung und ihre Folgen für die psychische Gesundheit der Insassen sind zu einem Hauptproblem geworden.“ Es sei untragbar, dass das Lager als „Verhörzentrum und nicht als Gefangenenlager“ genutzt werde.

Rund 660 Gefangene werden seit fast zwei Jahren in Guantánamo Bay festgehalten. Sie leben in weitgehender Isolation. Sie werden ohne Anklage festgehalten. Rechtlicher Beistand wird ihnen ebenso verwehrt wie der Status von Kriegsgefangenen. In 18 Monaten haben 21 Gefangene 32 Selbstmordversuche unternommen. Viele mussten wegen Depressionen medizinisch behandelt werden. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen ist dies das direkte Ergebnis der Ungewissheit über ihre Zukunft.

taz-Reporter Ashwin Raman hat Guantánamo Bay besucht und in Afghanistan Angehörige der Gefangenen befragt. Die Bilanz ist erschreckend. Viele sind als Soldaten zwangsrekrutiert und von Warlords als Terroristen an die USA verkauft worden. GB

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