Der Papst geht leer aus: Nobelpreis für Schirin Ebadi

Die iranische Rechtsanwältin und Autorin Schirin Ebadi gilt als mutige Kämpferin für Demokratie und Menschenrechte. Die überraschende Entscheidung stößt weltweit auf Anerkennung

PARIS taz ■ In London standen alle Wetten auf den Papst. Doch der Friedensnobelpreis geht in diesem Jahr zum ersten Mal an eine Muslimin, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzt: Das Nobelkomitee in Oslo zeichnete die iranische Anwältin Schirin Ebadi mit dem Preis aus. In ihrem Engagement, insbesondere für Frauen und Kinder, habe sich die 56-jährige Juristin und Autorin auch mit Drohungen nicht erpressen lassen, erklärte das Nobelkomitee in seiner Begründung. Schirin Ebadi sei in einer Zeit der Gewalt stets für Gewaltfreiheit eingetreten. Das Nobelkomitee würdige „eine Frau, die Teil der muslimischen Welt ist und auf die diese Welt stolz sein kann – zusammen mit allen, die für die Menschenrechte eintreten, wo immer sie auch leben“.

Schirin Ebadi war die erste Richterin im Iran – bis sie von den Mullahs wegen ihres Geschlechts Berufsverbot erhielt. Als Anwältin, Frauenrechtlerin und als Präsidentin einer Vereinigung hat sie sich für die Rechte der Kinder eingesetzt. Dafür wurde sie vom Regime vielfach schikaniert. Die 56-Jährige ist die elfte Frau, die einen Friedensnobelpreis erhält. Die selbst völlig überraschte Schirin Ebadi erklärte, dass sie den Preis als „Ermunterung“ verstehe und dass er ihr „neue Energie geben werde, weiterzukämpfen“. Sie appellierte an die iranische Regierung, die Menschenrechte zu respektieren und die politischen Gefangenen freizulassen. Zugleich lehnte sie in einer deutlichen Adresse an die USA jegliche ausländische Einmischung im Iran ab. Und beklagte die Lage der Menschen in Afghanistan und Irak, wo die USA interveniert haben.

Die Zuerkennung des Preises an Ebadi stieß weltweit auf Zustimmung. Amnesty international (ai) sprach von der „außerordentlich großen Bedeutung“ des Kampfs von Ebadi für die Menschenrechte. Nach Einschätzung von Unicef Deutschland ist die Osloer Entscheidung „ein Geschenk für die Kinder in muslimischen Ländern“. In Berlin würdigten Bundespräsident und Bundesregierung den Einsatz Ebadis für die Menschenrechte. Tschechiens Expräsident Václav Havel sprach von einer „erfreulichen Nachricht“. Der 67-Jährige hatte selbst als Favorit für die Auszeichnung gegolten.

In Teheran verbreitete der staatliche Rundfunkt die Nachricht mit stundenlanger Verspätung. Eine offizielle Stellungnahme gab es nicht. Enttäuscht äußerte sich der polnische Friedensnobelpreisträger Lech Walesa. „Ich habe nichts gegen die Dame, aber wenn jemand diesen Preis verdient, dann sicherlich der Heilige Vater“, sagte er.

DOROTHEA HAHN

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