Heraus aus der Burg

Schleppender Rücklauf von ALG-II-Anträgen im Norden. Damit Hartz IV pünktlich starten kann, gehen Hamburger Vermittler jetzt neue Wege

Von Jennifer Neufend
und Eva Weikert

Im Norden wird die pünktliche Auszahlung des Arbeitslosengelds II (ALG II) zum 1. Januar 2005 immer unsicherer. Wegen des geringen Rücklaufs der Anträge für die neue Stütze und Probleme mit der Software wird es mit der rechtzeitigen Bearbeitung der Formulare offenbar eng. Von den seit Juli von den Arbeitsagenturen in Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen und Niedersachsen an rund 139.200 Empfänger von Arbeitslosenhilfe verschickten Bögen waren bis Dienstagabend gerade einmal 25.896 ausgefüllt zurückgeschickt worden. Mit einer Rücklaufquote von jeweils 18 Prozent in Hamburg und Schleswig-Holstein sowie etwa 20 Prozent in Niedersachsen und Bremen liegen die beiden nördlichsten Länder sogar zwei Punkte unter dem Bundesdurchschnitt. Insgesamt müssen in Deutschland 2,2 Millionen Langzeitarbeitslose Hartz-IV-Anträge ausfüllen.

Um pünktlich ab dem 1. Januar 2005 das neue ALG II erhalten zu können, sollen die ausgefüllten Bögen so schnell wie möglich an die Agenturen geschickt werden. „Denn wer nichts beantragt“, warnte jetzt der Sprecher der Hamburger Arbeitsagentur, Rainer Kleemann, „der kriegt auch kein Geld.“ Mitarbeiter der Arbeitsagenturen haken jetzt per Brief oder per Telefonanruf bei den Betroffenen nach, um die fingerdicken und komplizierten Fragebögen schneller zurückzukriegen. „Wir machen jetzt noch mal richtig Dampf“, so Volker Lenke, Sprecher der Regionaldirektion Nord in Kiel. „Unser Ziel ist es, dass die meisten Bögen bis Mitte Oktober da sind.“

Lenke empfiehlt, gerade jetzt mit dem Antrag in die Agenturen zu kommen: „Im Dezember ist keine Zeit mehr für eine ausführliche Beratung.“ Niemand müsse Nachteile befürchten, wenn er den Antrag jetzt abgebe. Etwaige nachfolgende Gesetzesänderungen würden selbstredend auch auf bereits ausgefüllte Anträge angewandt.

Die Arbeitsagentur im Hamburger Bezirk Wandsbek geht seit gestern neue Wege, damit Hartz IV pünktlich starten kann. Kurzfristig hat sich die Geschäftsstellenleitung entschlossen, einen Raum im Einkaufszentrum Wandsbek-Quarree zu beziehen. Ab nächster Woche sollen an dieser „Service-Stelle“ Mitarbeiter der Arbeitsagentur helfen, den Antrag auf ALG II auszufüllen. Auch in diesem Bezirk sind bisher lediglich 1.500 der 7.600 verschickten Bögen zurückgekommen. „Wenn die Arbeitsagentur aus ihrer Burg herauskommt“, erklärt Agentur-Leiter Oliver Weiße, „dann ist die Sache dringend.“

Erfolgreich verlaufe das Projekt auch schon dann, wenn man mit Passanten Termine für spätere Beratungsgespräche vereinbaren könne. Dass das Nachfassen Wirkung zeigt, bestätigt auch Regionaldirektion Nord-Sprecher Lenke. In den vergangenen Tagen seien bereits mehr Anträge eingegangen als in den vorherigen Wochen. Doch nicht nur der schleichende Rücklauf macht den örtlichen Arbeitsagenturen Probleme.

Hinzu kommt, dass die Software zur Bearbeitung der ALG-II-Anträge noch immer fehlt. Die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg räumt Probleme mit dem neuen Computer-Programm „A2LL“ der Telekomtochter T-Systems ein. Eigentlich sollte bereits am 4. Oktober der Schalter umgelegt werden.

Doch jetzt seien „zusätzliche Tests notwendig, um einen reibungslosen Ablauf der Antragsbearbeitung zu garantieren“, sagte ein Sprecher der Nürnberger Behörde der taz. Wann genau wer ans Netz gehe, könne derzeit nicht terminiert werden. Zielvorgabe sei lediglich, dass bis zum 24. Oktober alle Arbeitsagenturen mit funktionierender Software versorgt sind.