Massive Chance für hohle Köpfe

Eine ernsthafte Bedrohung ist die DVU nicht, dazu fehlen ihr die Leute. Trotzdem könnte ihr zum zweiten Mal der Einzug in den Brandenburger Landtag gelingen. Allein das ist eine neue Qualität

VON FELIX LEE

Der Schrecken saß zwar tief, war aber nur von kurzer Dauer. Als die Deutsche Volksunion (DVU) am 5. September 1999 bei den Wahlen in Brandenburg 5,3 Prozent der Stimmen einfing und damit fünf Abgeordnete in den Landtag schicken konnte, waren sich sowohl Parteienforscher als auch Politiker einig: Bei den Rechtsextremen handelt es sich um einen „Gastauftritt“, der spätestens nach fünf Jahren ein jähes Ende finden würde.

Zunächst einmal lagen sie gar nicht schlecht mit dieser Prognose. Zum einen hielten sich die drei großen Parteien an die Absprache, die fünf DVU-Vertreter im Landtag konsequent zu ignorieren. Selbst Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), sonst nicht gerade zimperlich bei Themen wie innerer Sicherheit und Abschiebepolitik, würdigte die DVU-Abgeordneten nicht eines Blickes, als sie Anträge wie „Bußgelder gegen Graffiti-Sprayer“ und „Änderungen des Asylbewerberleistungsgesetzes“ einbrachten. Zum anderen erwiesen sich die Abgeordneten ziemlich schnell als politikunfähig. Viele ihrer rund 260 Anträge konnten allein wegen formeller Mängel abgeschmettert werden. Und damit blieben sie auch der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Wenn überhaupt, machte die DVU Schlagzeilen, wenn es um Vorwürfe wegen des Vertriebs von Kinderpornografie ging oder weil DVU-Landeschef Sigmar-Peter Schuldt einen Falschparker mit einer Pistole bedrohte und daraufhin wegen Nötigung verklagt wurde.

Trotzdem könnte der DVU am kommenden Sonntag das gelingen, was bisher noch keine rechtsextreme Partei in der deutschen Nachkriegsgeschichte geschafft hat: eine zweite Legislaturperiode in einem Länderparlament.

Aktuellen Umfragen zufolge liegt die DVU bei 6 Prozent. Ihr Ergebnis am Sonntag könnte um einige Prozentpunkte höher liegen, weil die meisten Befragten ihre rechte Neigung bei Umfragen in der Regel verhehlen. Eine erschreckend hohe Zahl, angesichts dessen, dass rechtsextreme Parteien laut Verfassungsschützern in Brandenburg kaum noch über eine Stammklientel verfügen. Mit nur noch 490 Mitgliedern sei die Mitgliederzahl von DVU, NPD und „Republikanern“ seit 2000 landesweit um über ein Drittel gesunken. Wenig mobilisierend eigentlich auch der Faktor, dass die DVU gerade mal einen Plakatwahlkampf hinbekommen hat. Verleger und Parteichef Gerhard Frey lieferte aus der Zentrale in München rund 100.000 Plakate, seine Helfer agierten nur als Kleber – wie ferngesteuert. Wahlkampfauftritte mit den Spitzenkandidaten blieben aber aus. Weder gab es einen öffentlichen Parteitag noch irgendwelche Pressekonferenzen.

An der personellen Schwäche wird sich auch nicht viel ändern, falls es der DVU gelingen sollte, erneut über die 5-Prozent-Hürde zu springen. Auch in diesem Fall ist nicht mit einem größeren politischen Einfluss im Brandenburger Landtag zu rechnen. Zumindest vorerst nicht.

Der Berliner Antisemitismusforscher Wolfgang Benz weist auf eine ganz andere Gefahr hin: dass sich nämlich das rechtsextreme Wählerverhalten aus Protest gegen die etablierten Parteien verfestigen könnte. „Proteststimmen sind nicht Ausdruck von ideologischem Rechtsextremismus, sondern der Demokratieunwilligkeit bei vielen Bürgern“, sagt Benz. Es ist also zu befürchten, dass der Stamm der Protestwähler zu dauerhaften Rechtswählern wird. Irgendwann könnte dann auch die DVU personell fester auf den Beinen stehen.