Bayern haben Probleme bei der Kursänderung

Die Münchner tun sich auch bei ihrem Champions-League-Auftritt bei Maccabi Tel Aviv äußerst schwer. Zu einem 1:0-Sieg reicht es dennoch

TEL AVIV taz ■ Vor dem „nicht ganz normalen Fußballspiel“ (Karl-Heinz Rummenigge) war es bekanntlich eingehend um höchst sensible Themen wie Terminfragen, Sicherheit, koschere Küche und Einreiseverbote gegangen, und so überraschte es nicht, dass der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern seinen Kommentaren zum 1:0-Sieg ein paar schöne Reiseeindrücke vorausschickte. Sein Bild von Tel Aviv sei „völlig revidiert“ worden, sagte Rummenigge im „Grand Ballroom“ des Hilton Hotels und erinnerte daran, dass der Klub auch eine „sportpolitische Verpflichtung“ in Israel wahrgenommen hätte: „Ich denke, dass sich hier jeder gut verkauft hat.“ Das von ihm gelobte „Fingerspitzengefühl“ beim Umgang mit den Gastgebern hatte sich sogar noch kurz vor Anpfiff in der Kabine bemerkbar gemacht: Die Bayern spielten anstatt in den neuen schwarzen Champions-League-Trikots doch in Rot-Weiß. „Schwarz kann als Farbe missverstanden werden“, erklärte Rummenigge einem israelischen Reporter, „wir wollten lieber auf Nummer Sicher gehen.“

Sehr zum Leidwesen der fünfzig mitgereisten Bayern-Fans schien die Mannschaft diese sympathische Idee etwas zu wörtlich genommen zu haben. Anders ist es kaum zu erklären, mit welcher Lust- und Ideenlosigkeit die Kugel durchs Mittelfeld gekullert wurde, während sich die Israelis über das gemächliche Tempo in der Königsklasse wunderten. Der nicht gerade für seine Unfehlbarkeit auf der Linie bekannte Maccabi-Torwart Liran Strauber bekam gerade mal einen einsamen Schuss vor die Fäuste, und die von Trainer Felix Magath konzipierte Taktik mit drei Angreifern mutete mitunter wie ein im internationalen Fußball nur selten praktiziertes 4-6-0-System an: Roy Makaay ließ sich in Ermangelung von brauchbaren Pässen so erschreckend tief fallen, dass er sich oft weit hinter den zwei bis drei hängenden Spitzen Ballack, Zé Roberto und Sebastian Deisler im schwülen Nirgendwo wieder fand. Weder Ball noch Bayern kamen aus dem Spiel heraus gefährlich in den Maccabi-Strafraum. Das Geschehen wurde erst weniger schrecklich, als tödliche Langweile oder auch körperliche Verausgabung nach Wiederanpfiff zu einem kollektiven Ermüdungsbruch im Spiel der Gelb-Blauen führte. Maccabi stand so tief in der eigenen Hälfte, dass Magaths Elf, an die Gesetze der Geometrie gebunden, gar nicht mehr anders konnte, als nach vorne zu spielen.

Der Erfolg der Bemühungen blieb dennoch äußerst überschaubar. John Pantsils naive Grätsche gegen Zé Roberto, Makaays kühler Elfmetertreffer (64.): Es war ein Gastgebergeschenk. „Mit so einer Leistung können wir gegen Dortmund sicher nicht gewinnen“, wusste hinterher Tobias Rau. Woran aber hatte es gelegen? Rummenigge verortete die Gründe hierfür in den Untiefen der Kickerpsyche: „Wir spielen ein bisschen mutlos. Wir haben Probleme, das Selbstvertrauen zu finden, dass man braucht, um den Fußball zu spielen, den die Mannschaft qualitativ drin hat.“

Das mag stimmen, aber für den Trainer liegt noch sehr viel mehr im Argen. „Wir haben versucht, ohne Risiko zu spielen und gar nicht auf Toreerfolg gespielt, nur den Ball gehalten“, ärgerte sich Magath im kleinen Kreis vor dem Bankettsaal um kurz nach zwei Uhr morgens. Der als Reformer verpflichtete Trainer hat immer noch äußerst viel Mühe, der in Vorsicht und Pragmatismus geschulten Bayern-Belegschaft seine Vorstellung vom offensiven Fußball näher zu bringen. „Die Mannschaft hat Monate lang, vielleicht Jahre lang anders gespielt und anders gedacht“, stellte Magath fest. „Wenn ich passiv war und aktiv werden soll, ist das keine kleine Kurskorrektur, sondern eine Kursänderung von 180 Grad. Damit haben wir im Moment Schwierigkeiten.“ Beim ersten Champions-League-Auftritt in dieser Saison waren diese in der Tat kaum zu übersehen.

RAPHAEL HONIGSTEIN