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: Johnny Was A Punkrocker

Er war so rebellisch, dass er sogar gegen das Rebellische rebellierte. Den Kampf gegen den Krebs musste Johnny Ramone am Mittwoch aufgeben

Bis zuletzt schrieb John Cummings alias Johnny Ramone an seinen Memoiren: „Einige Leute werden überrascht sein, meine Version über das Leben der Ramones zu hören.“ Da ist was dran, galt der Gitarrist doch als widersprüchlichste Figur der 1974 als Trio gegründeten Kultband. Damals gaben sich die drei Musiker Joey (Schlagzeug), Johnny (Gitarre) und Dee Dee (Bass) den Nachnamen Ramone und spielten Punk, bevor der Begriff überhaupt geprägt war. Als sich die Band 1996 nach genau 2.263 Konzerten auflöste, galt sie längst als einflussreichste Legende im Rock. Dabei schafften es Songs wie „Gabba Gabba Hey“, „Hey Ho, Let’s Go“ oder „Shena Was A Punkrocker“ nie in die Charts. Und Johnny entzog sich dem Klischee, als Punk naturgemäß gegen das Establishment zu wettern. Im Gegenteil nannte er Ronald Reagan „den größten Präsidenten, den ich erlebt habe“. Und als die Gruppe 2002 in die „Rock and Roll Hall of Fame“ aufgenommen wurde, machte sich Johnny die Guerilla-Taktik von Michael Moore zu Eigen – nur lobte er George W. Bush.

Seine Kollegen erlebten den stetig wachsenden Nachruhm freilich nicht mehr. Sänger Joey starb 2001 an Krebs, Dee Dee folgte ihm ein Jahr später mit einer Überdosis Heroin. Der Albumtitel von 1985 schien nur auf Johnny zuzutreffen: „Too Tough To Die“, selbst dann noch, als Ärzte im Frühjahr 2002 Krebs diagnostiziert hatten – und ihn mit guten Prognosen wieder heimschickten.

Zu spät merkte die Welt, dass ihr langsam die Ramones ausgehen. Aber dann beeilte sie sich. Noch am Sonntag spielten bei einer Feier zum 30-jährigen Bandjubiläum Größen wie die Red Hot Chili Peppers und Henry Rollins – zugunsten der Krebsforschung. Am Mittwoch dann starb der letzte Original-Ramone in seinem Haus in Los Angeles. Im Schlaf. Umgeben von Freunden wie Eddie Vedder, Lisa Marie Presley – und seinem einzigen Bruder im konservativen Geiste, Lemmy von Motörhead.

ARNO FRANK