Mit Hartz IV ging die Sonne auf

Die PDS hat einen erfolgreichen Wahlsonntag vor sich. Doch mit den Protesten wird ihre Bedeutung schwinden

BERLIN taz ■ Wenn der Bundestag heute seinen Tag der offenen Tür feiert, werden auch Petra Pau und Gesine Lötzsch irgendwo in einer zugigen Ecke ein Tischchen stehen haben. Nicht, dass der Bundestagspräsident Wolfgang Thierse den beiden Frauen von der PDS dies erlaubt hätte: Ohne Fraktionsstatus dürfe die PDS sich nicht selbst darstellen, habe der Ältestenrat beschlossen. Dabei sein wollen sie trotzdem.

Vermutlich wäre der Bundestag besser beraten, sich mit der Anwesenheit der PDS im hohen Haus zu arrangieren. Gegenwärtig jedenfalls sieht es so aus, als könnten die Sozialisten 2006 wieder in Fraktionsstärke einziehen. Sie genießen 26 Prozent Zustimmung in den fünf neueren Bundesländern. In Sachsen wie in Brandenburg werden sie am Sonntag voraussichtlich wieder stärkste Oppositionspartei.

Zwar sind durch die Stasi-Vorwürfe gegen den Spitzenkandidaten Peter Porsch die sächsischen Werte wieder auf 20 Prozent gefallen. Auch scheint der SPD-Spitzenkandidat Matthias Platzeck in Brandenburg gegenüber der PDS-Spitzenfrau Dagmar Enkelmann wieder zuzulegen. Doch wird diese das letzte Landtagswahlergebnis von 23 Prozent sicherlich toppen.

Unabhängig von Prozentpunkten aber hat Hartz IV der PDS einen Schwung an Anerkennung und Aufmerksamkeit beschert, mit dem sie selbst kaum gerechnet hat. „Ich erlebe es zum ersten Mal seit Mitte der 90er-Jahre, dass Kirchen und Gewerkschaften uns als Gesprächspartner suchen“, sagt Petra Pau verblüfft. Von der Neugier, mit der im Westen auf das Entstehen einer „Wahlalternative“ als Linkspartei geschaut wird, profitiert im Osten die PDS.

Deren Parteichef Lothar Bisky beschwor kürzlich gar im Spiegel den Durchmarsch einer neuen Ost-West-Linkspartei mit den populärsten Köpfen Lafontaine und Gysi an der Spitze: „Oskar im Westen – und Gregor im Osten. Das wäre gut.“ PDS und Wahlalternative kennen sich gut – teils sind es dieselben Leute. Sollten die West-Protestler scheitern, könnte als Ergebnis immerhin die winzige West-PDS besser dastehen.

Petra Pau ist zwar mehr als der Parteichef bemüht, das Etikett der PDS als Partei der frustrierten Ossis loszuwerden. Bis 2006, sagt sie, will sie die PDS unter anderem als „sozialistische Bürgerrechtspartei ohne Ostfixierung“ etabliert haben – und übrigens führe sie hierzu interessante Gespräche mit dem Bürgerrechts-Flügel der FDP.

Noch aber ist die PDS die Partei, die sich um die Hartz-IV-Empörten im Osten kümmert. Sie schreibt die Informationsbroschüren zu der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe und hilft, Anträge auszufüllen: Wärmepolster gegen den kalten Westwind. Der Slogan heißt „Hartz IV muss weg“, und das Motto ist „Wir waren die Ersten!“ – die schon 2002 gewarnt haben, das Hartz-Programm sei „Gift für den Osten“.

In Berlin und Mecklenburg-Vorpommern setzen PDS-Minister das Gesetz um, während auf den Straßen PDS-Politiker demonstrieren. Kein Kontrast, findet die Vize-Bundesvorsitzende Katja Kipping: „Berlin und Meck-Pomm haben dafür gesorgt, dass Hartz IV im Bundesrat abgelehnt wurde. Jetzt aber wollen wir bei der Umsetzung das Beste für die Betroffenen rausholen.“ Protest und Gestaltung seien kein Widerspruch. Dass überhaupt noch zwei Änderungen am Gesetz möglich waren, dass die Quote 32:1 – Bewerber auf Arbeitsplatz im Osten – mittlerweile zum Allgemeinwissen gehört, rechnet sich die PDS zu.

Und doch wird die Empörung über Hartz IV nachlassen und damit auch die Anerkennung für die PDS. Und was kommt dann? Kipping wie Pau verweisen auf das Steuerkonzept, mit dem die Partei im Oktober zum Parteitag aufwarten wird. Mit Arbeitszeitverkürzung, Mindestlohn und Grundsicherung wollen die Sozialisten bis 2006 für sich werben. All diese Themen werden freilich auch von den linken Flügeln bei SPD und Grünen gerade wieder entdeckt. Und die könnten der PDS bis 2006 dann doch wieder die Show stehlen.

ULRIKE WINKELMANN