Übergangsregierung in Palästina

In Ramallah übernimmt ein Notstandskabinett aus nur sechs Ministern für 30 Tage die Regierung. Premierminister Abu Ala will sein Amt abgeben. Wiederum führt die Kontrolle über die Sicherheitsdienste zum Konflikt mit Palästinenserpräsident Arafat

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Weil niemand an einem Vakuum interessiert sei, so erklärte der palästinensische Minister Saeb Erikat, werde in den kommenden 30 Tagen ein Notstandskabinett die Regierungsgeschäfte in Ramallah übernehmen. Nach tagelangem Hin- und Her stimmte der Zentralrat der Fatach-Organisation gestern der Errichtung einer Übergangsregierung mit nur sechs Ministern zu. Premierminister Achmad Kurei (Abu Ala) wiederholte vor den Parteifreunden indes seinen Wunsch, vom Amt zurückzutreten. Die innenpolitische Krise wurde zusätzlich überschattet von neuem Blutvergießen im südlichen Gaza-Streifen, als israelische Panzer und Bulldozer, unterstützt von Kampfhubschraubern drei Flüchtlingslager angriffen. Acht Palästinenser, darunter zwei Kinder, kamen bei der Operation zu Tode.

Knackpunkt des Konflikts zwischen Palästinenserpräsident Jassir Arafat und Abu Ala war offensichtlich die Besetzung des Innenministerpostens. Nasser Jussef, der von Abu Ala favorisierte Kandidat für das Amt des Innenministers, war bei Arafat in Ungnade gefallen, als er sich weigerte, an der Vereidigung des Kabinetts teilzunehmen. Er forderte ein Vertrauensvotum des Parlaments. Zudem bestanden Interessenkonflikte hinsichtlich der Kontrolle der Sicherheitsdienste, die Jussuf – sollte er Innenminister werden – für sich in Anspruch nehmen wollte. An der Frage der Zuständigkeit für die Sicherheitsdienste war schon die vorherige Regierung unter Machmud Abbas gescheitert.

„Der wahre Grund für die Krise ist nicht, wer die Verantwortung trägt, sondern was getan werden muss“, schränkte hingegen Exminister Ghassan Katib gegenüber der taz ein. „Arafat ist nicht glücklich mit der von den USA und Israel gestellten Aufgabe.“ So liege es zwar auch im Interesse der Palästinenser, möglichst bald mit den Oppositionsgruppen zu einem Waffenstillstand zu geraten. Doch „nur, wenn die Israelis dann ihrerseits die Gewalt beenden, den Siedlungsbau, die Invasionen und die Exekutionen einstellen, dann können wir weitere Schritte unternehmen“. Die israelische Regierung knüpft indes unverändert einen bilateralen Waffenstillstand an konkrete palästinensische Antiterrormaßnahmen, so die Beschlagnahmung illegaler Waffen. „Es liegt in unserem eigenen Interesse, Gesetz und Ordnung zu schaffen“, meint Katib. „Das kann aber nur in Form paralleler palästinensischer und israelischer Maßnahmen geschehen.“ Alle derzeitig von Israel unternommenen Schritte seien kontraproduktiv, da sie „unser Sicherheitssystem zerstören“.

Aus Frustration über die eigene Regierung trafen sich am Wochenende in Jordanien 20 israelische Oppositionspolitiker mit ebenfalls 20 führenden Fatach-Delegierten. Die dreitägigen Beratungen endeten in der Unterzeichnung eines Entwurfs für einen Friedensvertag, der gemeinsam von dem israelischen Exjustizminister Jossi Beilin und dem palästinensischen Exinformationsminister Jassir Abed-Rabbo erarbeitet worden war und Arafats Segen haben soll. Der Vertrag basiert auf bisherigen Einigungen und beinhaltet alle grundsätzlichen Konfliktpunkte, darunter die Flüchtlingsfrage, den Grenzverlauf sowie den künftigen Status Jerusalems.

Unterdessen verschärft sich die Spannung zwischen Jerusalem und Damaskus. Die syrische Führung drohte mit einem Rückschlag, sollte sich ein Angriff wie der vom vergangenen Sonntag wiederholen. Israelische Kampfpiloten hatten auf syrischem Territorium ein mutmaßliches Ausbildungslager des „Islamischen Dschihad“ bombardiert.