Ein Koordinator und vier Positionen

Ole von Beust soll die CDU/CSU-Ministerpräsidenten koordinieren. Doch viel Autorität ist damit nicht verbunden. So hat Beust angeblich insgeheim ein Vorziehen der Steuerreform mit Henning Scherf (SPD) vereinbart. In der Union aber reden alle weiter

aus Berlin ULRIKE HERRMANN

Hamburgs CDU-Bürgermeister Ole von Beust ist offiziell in Urlaub. Daher war seine Umgebung gestern nicht informiert über die Neuigkeiten des Spiegel. Beust soll sich mit dem Bremer SPD-Bürgermeister Henning Scherf „vertraulich“ getroffen haben, um einen Steuerkompromiss festzuzurren. Scherf leitet derzeit den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat.

Anders als von Finanzminister Hans Eichel (SPD) geplant, solle die Steuerreformstufe 2005 nicht komplett um ein Jahr vorgezogen werden, berichtet das Magazin. Stattdessen wollten die beiden Bürgermeister nur den Eingangsteuersatz von jetzt 19,9 auf 15 Prozent senken. Der Spitzensteuersatz hingegen solle vorerst bei 48,5 Prozent verharren – und erst 2005 auf 42 Prozent sinken. Der finanzielle Charme: Im nächsten Jahr müssten nicht 15,6 Milliarden Euro an Steuerausfällen gegenfinanziert werden, sondern nur etwa 8.

Vor einer Woche hatte Beust noch eine leicht abweichende Variante präsentiert. Damals wollte er zwar den Steuerfreibetrag schon 2004 und nicht erst 2005 von 7.426 auf 7.664 Euro anheben, der Eingangs- und der Spitzensteuersatz sollten hingegen beide sinken – und zwar halb so stark wie von Rot-Grün geplant.

Beust ist offiziell der Koordinator der Unions-Ministerpräsidenten, doch scheint dies kaum Autorität zu verleihen. Seine Vorstöße quittiert CDU-Chefin Angela Merkel stets mit dem Hinweis, so auch gestern, man werde „am Ende entscheiden“ – wenn die Steuerschätzung Anfang November vorliegt. Auch die Unionsministerpräsidenten folgen ihrem Koordinator nicht; die meisten preschen mit eigenen Vorschlägen vor. Vier Haltungen sind momentan zu erkennen.

Da ist zunächst die Radikalposition des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch: Er lehnt es unverändert ab, die Reformstufe 2005 vorzuziehen, weil sie weitgehend über Kredite finanziert würde. Dann gibt es die scheinbar moderate Haltung des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber: Er stimme einer vorgezogenen Steuerreform zu – falls sie nur zu einem Viertel über Kredite kompensiert würde. Aber auch davon ist Eichel weit entfernt, der für dieses Jahr – ohne Steuerreform – per Nachtragshaushalt eine Neuverschuldung von mehr als 41 Milliarden Euro anpeilt (siehe Nachrichten Seite 2). Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus wiederum profiliert sich neuerdings als Quertreiber der CDU und fordert seine Partei immer wieder auf, die Steuerpläne von Rot-Grün zu unterstützen.

Erwin Teufel aus Baden-Württemberg hat sich schließlich in eine ganz unangenehme Lage gebracht. Ursprünglich war er der Erste, der eine vorgezogene Steuerreform forderte – weit früher als die Bundesregierung. Inzwischen jedoch neigt er den Plänen von CDU-Fraktionsvize Friedrich Merz zu, der die Steuern radikal vereinfachen will (siehe links). Problem dabei: Der Staat kann kaum noch auf Steuern verzichten. Kommt die rot-grüne Steuerreform, dann lassen sich weitere Umbaupläne nicht mehr verwirklichen. Gern also würde Teufel seine Unterstützung für die vorgezogene Steuerreform zurücknehmen – aber peinlich wäre es schon.

Angesichts der vielen Unionsvorschläge sind die Regierungsfraktionen ratlos. Der Beust-Vorschlag werde „an der SPD nicht scheitern“, versicherte der sozialdemokratische Steuerexperte Joachim Poß der taz. Aber die Union müsse sich „verbindlich verständigen“. Ähnlich äußerte sich die grüne Haushälterin Antje Hermenau. Eine halbierte Steuerreform sei zwar „nicht die Idealvorstellung“, so Hermenau zur taz, aber es sei „sinnvoll, mit den unteren und mittleren Einkommen zu beginnen“.