Drei-Sterne-Eiland

Den Arabern diente die Insel Lampedusa einst als Stützpunkt bei ihren Eroberungsfeldzügen. Dann war es ein Piratennest nordafrikanischer Korsaren im Dienste des Osmanischen Reiches. 1630 schließlich schenkte König Karl II., der letzte spanische Habsburger, die Insel einem gewissen Giulio Tomasi, der sich fortan Fürst von Lampedusa nennen durfte. Weltberühmt wurde der Name durch dessen Nachfahren Giuseppe Tomasi di Lampedusa, der in seinem Roman „Der Leopard“ (erschienen 1958) ein Sittengemälde der sizilianischen Aristokratie in ihrem Niedergang schuf. Eine erste Besiedelung der Insel scheiterte an der Pest. 1812 lebten gerade noch zwölf Personen auf dem Eiland.

Heute zählt Lampedusa 5.200 Einwohner – oder cristiani, Christen, wie die Insulaner sagen. Noch etwa achthundert von ihnen leben vom Fischfang. Die übrigen versuchen fast alle im Tourismus ein Auskommen zu finden. Diving Centers, Segelschulen, Bootsverleihstellen sind in den letzten zehn Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen. Luxustourismus wie in Taormina oder auf Capri gibt es hier allerdings nicht. Das beste Hotel hat gerade drei Sterne. Teuer ist es trotzdem. Wie alles hier, weil eben alles importiert wird und die meisten Lampedusaner in der Sommersaison das Geld für ein ganzes Jahr verdienen müssen. Dennoch lockt die kleine Felseninsel jährlich über 50.000 Touristen an. Zu Spitzenzeiten leben über 20.000 Menschen auf dem Eiland. Dann wird das Wasser knapp – und Ettore Greco, der auf seinem Grundstück versalzenes Wasser aus dem Boden holt und an Restaurants und Hotels verkauft, macht sein Geschäft.

Und dann auch wird es für die Caretta caretta eng. Die weltweit geschützte riesige Meeresschildkröte, die über einen Meter lang und bis zu zweihundert Kilogramm schwer wird und in ganz Italien nur noch hier zu finden ist, verbuddelt nämlich ihre Eier just an der schönsten Stelle der Insel, an der spiaggia dei conigli, dem knapp zweihundert Meter langen Kaninchenstrand, wo sich die Touristen drängeln und ockerbraune Kalkfelsen und türkisblaues Wasser sich zu einem paradiesischen Naturgemälde vereinen.

Zwischen acht Uhr abends und neun Uhr früh ist der Strand gesperrt und der Schiffs- und Bootsverkehr verboten, damit die Weibchen der Caretta caretta ungestört an Land gehen können, um ihre Eier – an die hundert pro Muttertier – einen halben Meter tief im Sand zu vergraben. Die Sonne wird sie ausbrüten. Nach zwei Monaten schlüpfen fünf Zentimeter lange Schildkrötchen. Viele von ihnen werden schon auf dem Weg zum Wasser von Vögeln gefressen, und jedes Jahr verfangen sich hunderte von Schildkröten in den Fischernetzen. Seit 150 Millionen Jahren paddelt Caretta caretta durch die Meere. Ob sie den sehr viel jüngeren Menschen überlebt, ist höchst ungewiss. TOS