Özdemir als Vorbild

Der Essener Ratskandidat Çopur bekam gestern Schützenhilfe aus dem EU-Parlament. Cem Özdemir: „Wir brauchen mehr Migranten in der Politik“

Migranten werden auch in Deutschland Oberbürgermeister oder Minister sein

AUS ESSENNATALIE WIESMANN

Burak Çopur ist ein Neuling in der Essener Stadtpolitik. Doch seine Chancen seien groß, für die Grünen in den Rat einzuziehen, sagte er gestern bei einer Pressekonferenz in Essen. „Wenn wir 10 Prozent bekommen, bin ich auf jeden Fall drin“, rechnet sich der 27-Jährige aus. Eine Frau kroatischer Herkunft hat in der vergangenen Legislaturperiode für die Grünen bereits im Rat gesessen. Wenn Copur gewählt würde, wäre er der erste türkischstämmige Abgeordnete im Stadtparlament.

Moralische Unterstützung erhält der Essener Kandidat an diesem Tag aus Brüssel. Europaabgeordneter Cem Özdemir ist extra angereist, um seinen ehemaligen Praktikanten zu pushen. „Es ist wichtig, dass Migranten auch zum Alltag in der Politik gehören“, sagt er. In der Legislative tue sich da schon länger etwas. „Irgendwann muss es aber auch hierzulande normal sein, dass Politiker mit Migrationshintergrund Oberbürgermeister, Staatssekretäre oder Minister werden“, so Özdemir

Doch so weit ist Çopur noch nicht. Als Stadtparlamentarier will er sich unter anderem für mehr Sprachförderung bei Migrantenkindern und der Einrichtung einer Antidiskriminierungstelle stark machen. Auch im Kulturbereich hofft er etwas bewegen zu können: „Ich möchte Stätten wie die Essener Philharmonie mit einem erweiterten Programm mehr für Migranten zugänglich machen.“

Çopur ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Politikwissenschaft an der Uni Duisburg-Essen. Als Studierendenparlamentarier der Grünen Hochschulgruppe und sachkundiger Bürger im Sport- und Sozialausschuss hat er seine ersten politischen Erfahrungen gesammelt. Menschen wie Özdemir seien für ihn dabei immer Vorbild gewesen. „Cem hat uns gezeigt, dass man es auch mit Migrantenhintergrund schaffen kann“, sagt auch Ali Ertan Toprak, der in Recklinghausen kandidiert und sich als weiterer Zögling des ehemaligen Bundestagsabgeordneten zu erkennen gibt.

Vorbild sollte Cem Özdemir den Politikneulingen zumindest nicht in einem Punkt sein: 2002 musste dieser von all seinen politischen Ämtern bei den Bundestagsgrünen zurücktreten, weil er als innenpolitische Sprecher der Fraktion für private Reisen Bonusmeilen nutzte. Seit kurzem sitzt der Grüne aus dem Schwabenland im Europaparlament in Brüssel. Seinen Besuch in Essen nutzt er, um sich zu europäischen Themen zu äußern. „Ich glaube nicht, dass Angela Merkel den EU-Beitritt der Türkei verhindern kann“, sagt er gelassen. Er wüsste, dass es auch andere Meinungen in bei der Union gebe. „Außerdem sind die Christdemokraten in anderen Ländern der Europäischen Union viel offener gegenüber einem Türkei-Beitritt “, weiß er.

Am Ende der Konferenz geht es ins Internationale Begegnungszentrum (IBZ): Die von Copur mitinitiierte Einrichtung bietet Studierende aus dem Ausland preiswerte Sprachkurse an und will für diese Ansprechpartner sein. „Die ausländischen Studierenden fühlen sich an den deutschen Unis verloren“, sagt Geschäftsführer Fikret Günes. Er und dreißig andere aus der Umgebung des IBZ sind zu Copurs Unterstützung spontan bei den Grünen eingetreten. „Uns hat er den Platz 8 der Kandidatenliste zu verdanken“, freut sich Günes. Im Essener Norden würden sie außerdem mit Ständen und Flugzetteln Migranten zur Wahl von Copur ermuntern.