Existenzgründung hat in NRW Konjunktur

Essener Gründungsmesse „Start“ unterstützt nicht nur Jungunternehmer: Die Zahl der Unternehmensgründungen steigt kontinuierlich – auch als Alternative zur Arbeitslosigkeit. SPD-Wirtschaftsminister Schartau verteidigt „Ich AG“

ESSEN taz ■ Die Zahl der Gewerbeanmeldungen in Nordrhein-Westfalen ist im ersten Halbjahr 2004 sprunghaft angestiegen: 99.052 Jungunternehmer wagten von Januar bis Juni den Sprung in die Selbstständigkeit – 18,5 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, so NRW-Wirtschafts- und Arbeitsminister Harald Schartau (SPD) gestern bei der Eröffnung der Existenzgründermesse „Start“ in Essen. Zwar stieg auch die Zahl der Gewerbeabmeldungen um zwei Prozent, dennoch kann sich der Minister über ein sattes Plus von 26.347 neuen Unternehmen freuen.

Gestützt wird dieser Trend besonders durch das im vergangenen Jahr eingeführte Instrument der „Ich AG“: Bis Ende August unterstützten die Arbeitsagenturen 41.725 Neuunternehmer bei der Flucht aus der Arbeitslosigkeit, satte 37,6 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres – 2003 hatte die Arbeitsverwaltung bereits 30.319 Kleinstfirmen gefördert. „Diesen Mut zur Selbstständigkeit unterstützt das Land nach Kräften“, warb Schartau, der auch Vorsitzender der nordrhein-westfälischen SPD ist. Die von Opposition und Wirtschaftsverbänden wiederholt geäußerte Kritik, die Arbeitsagenturen förderten auch nicht wirtschaftlich zu betreibende Geschäftsideen und sorgten durch die indirekte Subvention für eine Verzerrung des Wettbewerbs, wies der Arbeitsminister dagegen als unbegründet zurück: „Ich glaube nicht an die Auguren des Untergangs.“

Angesichts unverändert hoher Arbeitslosenzahlen gerade im strukturschwachen Norden des Ruhrgebiets warb Schartau besonders für die Unterstützungsangebote, die die Gründungsoffensive „GO!“ für Existenzgründer bereithält. Das Gründungsnetzwerk der Landesregierung ist wieder Hauptaussteller der jährlichen Messe, bietet an den drei Tagen der noch bis Sonntag stattfindenden Veranstaltung über 60 Seminare, Vorträge und Werkstätten. Viele sind derzeit auf Arbeitslose zugeschnitten: Neben Themen wie Finanzierung und Marketing stehen spezielle Angebote für Klein- und Nebenerwerbsgründungen oder zur Unternehmensnachfolge auf dem Programm.

Dabei scheint Schartaus Schwenk weg von der traditionell auf Großkonzerne fixierten Wirtschaftsförderung hin zum Mittelstand bitter nötig: Bei der Preisverleihung einer bundesweiten Auszeichnung mit dem klotzigen Namen „Fit for Boss – Start-Unternehmen 2004“ war kein einziges nordrhein-westfälisches Unternehmen vertreten. Um der Peinlichkeit zu entgehen, musste der Wirtschaftsminister einen „NRW-Sonderpreis“ verleihen. Der ging an das Biotechnologie-Unternehmen „Ogham“ aus Münster, deren Geschäftsführer Paul Cullen sich über 5.000 Euro freuen kann, über die Pressefotos mit Schartau aber leise klagte: „Grauenvoll, oder?“ ANDREAS WYPUTTA