Nikotinfreie Rückenlage

Plötzlicher Kindstod: Auch wenn die Ursachen noch nicht geklärt sind, lässt sich das Risiko verringern. Besonders Tabakqualm und der Schlaf auf dem Bauch sind schädlich

Es ist eine Tragödie, und eine rätselhafte dazu. „Der Plötzliche Säuglingstod ist die häufigste Todesursache für Säuglinge im ersten Lebensjahr“, sagt Professor Klaus Püschel, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Über die Ursachen jedoch, so sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Dr. Jan Sperhake, herrsche unter Wissenschaftlern noch immer weitgehend Ratlosigkeit.

In Hamburg werden pro Jahr 15.000 bis 16.000 Kinder geboren, etwa zehn sterben jährlich am Plötzlichen Säuglingstod (SIDS, für engl. „Sudden Infant Death Syndrome“). Anfang der 80er Jahre waren es dreimal so viele. „Man kann das SIDS-Risiko verringern“, sagt Sperhake. Die Wissenschaft geht inzwischen von drei Faktoren aus, die auf das plötzliche Sterben der Kinder Auswirkungen haben: die genetische Veranlagung, die Anfälligkeit der Säuglinge nach Krankheiten und die so genannten Außenfaktoren.

Und genau diese Außenfaktoren können Eltern beeinflussen, das hat eine Studie von 19 wissenschaftlichen Instituten in Deutschland von 1998 bis 2001 ergeben.

Da ist zunächst das Stillverhalten der Mütter. Werden die Babys regelmäßig mit Muttermilch versorgt, verringert sich das Risiko des Plötzlichen Säuglingstodes immerhin um fünf Prozent. Weitaus gravierender schlägt allerdings der Verzicht auf Nikotin zu Buche. Um 16 Prozent, so die Studie, nimmt das SIDS-Risiko ab, wenn die Kleinen während und nach der Schwangerschaft nicht mit Zigarettenrauch in Berührung kommen.

Tatsächlich, so Irene Ehmke vom Büro für Suchtprävention der Hamburgischen Landesstelle gegen die Suchtgefahren, raucht ein Fünftel bis ein Viertel aller Schwangeren. Und mehr als die Hälfte der Frauen, die während der Schwangerschaft aufs Qualmen verzichten, fangen im ersten Monat nach der Entbindung wieder an. Dabei „hat das Rauchen in der Umgebung der Kinder einen großen Einfluss auf ihre Gesundheit“, warnt Ehmke. Eltern sollten unbedingt darauf achten, dass die Kinder auf keinen Fall mit dem Rauch in Berührung kämen.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Schlafposition: Schläft ein Säugling auf dem Bauch, ist das SIDS-Risiko um 16 Prozent höher. Das Problem: Kinder, die auf dem Bauch liegen, schlafen schneller, länger und tiefer. Hilft nichts, sagt Monique L‘Hoir, niederländische SIDS-Expertin an der Universität Utrecht: Eltern müssten alles dafür tun, dass Kinder auf dem Rücken schlafen. Ist das Baby wach, kann es – am besten im Laufstall, rät L‘Hoir – ohne weiteres auf den Bauch gelegt werden, nicht zuletzt um die Fähigkeit zum Umdrehen zu trainieren.

Zurück zum Schlaf. Auch schweres Federbettzeug sollte tunlichst vermieden werden. L‘Hoir empfiehlt einen Schlafsack, da dieser Kinder daran hindere, sich auf den Bauch zu drehen. Das elterliche Ehebett ist laut L‘Hoir tabu: „Am besten legt man die Babys so weit wie möglich ans Fußende der Betten, dann können sie nicht unter die Decke rutschen“, empfiehlt die Wissenschaftlerin. Und: Ein kleines Bett ohne Kopfkissen und mit harter Matratze sei das gesündeste.

Zumindest was das Schlafverhalten angeht, hat sich bereits einiges geändert. Laut einer Studie des Instituts für Rechtsmedizin von 2001 schlafen nur noch drei Prozent der Hamburger Säuglinge auf dem Bauch.Sebastian Siegloch