Hängebauchschwein hilft

Medikamente wirken, wenn die Luft wegbleibt. Besser allerdings sind Strategien, die die Symptome dauerhaft lindern: Ambulante Teams geben Eltern und Kindern Tipps im Umgang mit Asthma

Das Gelernte muss außerhalb der Gruppenstunden zum Alltag werden

von Esther Geißlinger

Vielleicht war es der Staub in der Turnhalle, vielleicht das Kommando des Sportlehrers, schnell zu rennen – auf jeden Fall ist der Asthma-Anfall da: Die Luft wird knapp, das Atmen zur Qual.

Asthma ist weit verbreitet – rund zehn Prozent aller Kinder leiden daran. Bei der Krankheit handelt es sich um eine so genannte Empfindlichkeit, eine chronische Entzündung der Bronchien, die dadurch mit zähem Schleim belegt sind. Kommt ein Auslöser hinzu, steigt die Schleimproduktion. Im schlimmsten Fall ziehen sich die Muskeln zusammen – die Luft kann die Lunge nicht mehr verlassen, es droht Atemnot. Medikamente helfen, den akuten Zustand zu überwinden, noch wirksamer sind aber Strategien, die die Symptome dauerhaft lindern.

„Chronisch Kranke sind in einem Teufelskreis: Ich bin krank, also kann ich nichts tun“, sagt Dr. Kathrin van Heek von der AG „Asthmaschulung im Kindes- und Jugendalter“. „Unser Ziel ist ein Engelskreis: Ich bin zwar krank, aber ich weiß, wie ich damit leben kann, und ich bin stolz darauf, dass ich mit meiner Krankheit umzugehen weiß.“

Zwölf ambulante Asthma-Schulungsteams gibt es in Schleswig-Holstein, auch in Hamburg und dem angrenzenden Niedersachsen bieten zahlreiche MedizinerInnen entsprechende Hilfen an. Die Teams, die in der Regel aus FachärztIn, KrankengymnastIn und psychologischer BetreuerIn bestehen, bringen Kindern und ihren Eltern bei, mit der Krankheit besser zu leben.

„Pustefux“ heißt das Team, dem Kathrin van Heek angehört. In vier mehrstündigen Gruppensitzungen lernen die Kinder, ihren Körper zu erforschen: Als „Lungendetektive“ horchen die Sieben- bis Zwölfjährigen in sich hinein, tasten ihren Brustkorb ab, zeichnen den Zustand ihrer Bronchien auf. Mit einem Messgerät, dem Peak-Flow-Meter, stellen sie fest, wie fest sie pusten können, und schreiben Protokolle darüber. Sie finden heraus, was ihre Anfälle auslöst – Tierhaare oder Stress, Zigarettenrauch oder Gräserpollen.

Und sie lernen Übungen, die helfen, wenn die Luft knapp wird: Haltungen wie „Hängebauchschwein“ oder „Torwart“, die den Körper entlasten. Van Heek hält rote und grüne Kärtchen hoch – sie symbolisieren Medikamente. Die „Schützer“ bekämpfen die Entzündung. Häufig enthalten sie Cortison – van Heek weiß, dass viele Eltern damit Probleme haben. „Aber es hat sich bewährt“, sagt sie. Werden die „Schützer“ regelmäßig angewendet, kann das Kind die „grüne Mauer bauen“, die Krankheit in den Griff bekommen.

Gegen akute Beschwerden gibt es Mittel, die sehr schnell die Muskeln entspannen. „Darin liegt ein Problem: Gerade Kinder und Jugendliche verlassen sich darauf, weil es so einfach ist.“ Darum kommt es bei den Schulungen darauf an, das Verhalten zu ändern. Van Heek legt Wert darauf, dass zwischen den Terminen Zeit vergeht, denn das Gelernte muss außerhalb der Gruppenstunden zum Alltag werden.

Das gilt auch für die Eltern, die getrennt von den Kindern Tipps bekommen. „Eltern sind oft ängstlicher als die Kinder selbst“, weiß die Ärztin. „Sie lassen sie nichts machen, erlauben zum Beispiel keinen Sport, weil das ein Auslöser sein kann.“ Dabei hilft Sport, vernünftig angewendet, langfristig besser als Medikamente allein.

Dass die Schulung Erfolge bringt, haben inzwischen auch die Krankenkassen anerkannt: Sie zahlen den Unterricht für Eltern und Kind. In Schleswig-Holstein haben sich die verschiedenen Anbieter auf einen Stundensatz von 31 Euro geeinigt. Das erschien den Kassen anfangs zu hoch, inzwischen wird die Summe akzeptiert. Nur einzelne Kassen verlangen einen geringen Zusatzbetrag. Meist überweist der Kinderarzt an eines der ambulanten Teams.

Ob die Schulung allerdings wirklich etwas verändert hat, muss das spätere Leben zeigen. Van Heek erinnert sich an ein Mädchen, das im Jahr 2001 zur „Lungendetektivin“ wurde. Vor kurzem tauchte die kleine Patientin wieder bei ihr auf – von den damaligen Tipps wusste sie nicht mehr viel. Immerhin: Am Ende des Trainings bejahen regelmäßig 90 Prozent, ihr persönliches Ziel erreicht zu haben. Zum Beispiel, beim Sportunterricht mitrennen zu können.

Informationen und Adressen: www.asthmaschulung.de