Alleinerziehend? Raus aus der WG!

Am Montag macht der Fiskus Kasse: Alleinerziehende, die nicht ein Formblatt über ihren Haushalt unterschreiben, fliegen automatisch aus der Steuerklasse zwei. Mitgeteilt hat das den betroffenen Steuerpflichtigen allerdings niemand so recht

Bremen taz ■ Am 20. September ist Stichtag für Alleinerziehende: Wer bis dahin nicht eine Erklärung unterschrieben und abgegeben hat, nach der keine „Haushaltsgemeinschaft mit einer volljährigen Person“ besteht, der verliert die Steuerklasse 2 und damit den „Entlastungsbetrag für Alleinerziehende“, immerhin 1.308 Euro im Jahr 2004.

Bis zum Jahre 2003 gab es den so genannten Haushaltsfreibetrag für Alleinerziehende – unabhängig davon, ob sie mit dem Vater der Kinder in wilder Ehe zusammen lebte oder nicht. Wer heiratete, war selber dumm – und verlor den Haushaltsfreibetrag.

Das hat das Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig erkannt, weil die Institution der Ehe doch geschützt und nicht diskriminiert werden soll.

An die Stelle des Haushaltsfreibetrages tritt nun ab dem Jahr 2004 der Ermäßigungsbetrag von 1.308 Euro über die Steuerklasse 2. Allerdings soll er nur diejenigen begünstigen, die tatsächlich allein erziehend sind. Nur: wie stellt das Finanzamt das fest?

„Haushaltsgemeinschaft“ ist das Stichwort: Wer weiterhin in den Genuss der Steuerklasse 2 kommen will, muss versichern, dass ersten sein minderjähriges Kind zum Haushalt gehört, und zweitens „keine volljährige Person“ in der eigenen Wohnung „wohnt oder mit Haupt- oder Nebenwohnsitz bei mir gemeldet ist“. Ganz schlicht. In welchen familiären Bindungen die stehen, die eine Wohnung teilen, ist egal.

„Wir prüfen das im Zweifelsfall beim Einwohnermeldeamt nach“, sagt die nette Frau vom Finanzamt, die Bürger bei der Ausstellung der Steuererklärung berät. Wohngemeinschaften, die eine Küche gemeinsam benutzen und zusammen essen, seien also per se ausgeschlossen nach diesem Kriterium. Ausnahmen gelten nur für die, die versichern, dass „keine gemeinsame Wirtschaftsführung“ vorliegt.

Wer nicht bis zum 20. September die Erklärung abgegeben hat, wird automatisch herabgesetzt. Informiert hat das Finanzamt die Betroffenen nicht.

Woher sollen das Alleinerziehende wissen? „Das stand mal in der Zeitung, vor zwei Monaten vielleicht“, sagt die nette Frau im Finanzamt, „als kleine Notiz“. Und die Erklärung müsse ohnehin nicht beim Finanzamt abgegeben werden, sondern beim Ortsamt.

Testanruf bei Ortsamtsleiter Robert Bücking. Der ist für das Viertel zuständig und wird mit Sicherheit einen größeren Teil der Bremer „Fälle“ in seinem Bezirk haben. Bücking war gestern auf Nachfrage vollkommen baff: „Ich weiß von nichts.“ Weder habe ihn eine Behörde informiert noch irgend jemand einen Antrag bei ihm abgegeben.

Vermutlich geht das Finanzamt bei dem Hinweis, der Bogen müsse beim Ortsamt abgegeben werden, davon aus, dass alle Ortsämter auch Meldestellen haben. Aber auch die Betroffenen wissen in der Regel nicht, dass ihnen eine andere Steuerklasse droht, wenn sie nicht bis Montag zur Meldestelle gehen. Und was ist zum Beispiel bei Alleinerziehenden, die verheiratet sind, aber dauerhaft getrennt leben? Oder was bei Fällen wie Andrea P., die mit zwei Kindern und dem Vater eines der beiden Kinder unverheiratet zusammen lebt?

Der Testanruf ergibt eine verärgerte Mutter: „Ich weiß davon nichts. Ich finde das zum Kotzen.“ Am Dienstag wird sie für das Jahr 2004 rückwirkend von ihrem Teilzeitjob 1.308 Euro weniger haben, weil sie die „Voraussetzungen für den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nach § 24b Einkommensteuergesetz“ nicht erfüllt. kawe