Nieder mit der Kleinfamilie

Von Kommunarden zu Hausbesetzern: Eine kleine Geschichte des gemeinschaftlichen Wohnens

Es war bei einem Treffen im Frühsommer 1966 in Bayern, als einige linke Aktivisten – unter ihnen Dieter Kunzelmann und Rudi Dutschke – darüber diskutierten, wie man endlich den Sumpf der Adenauer-Ära überwinden könnte. Kunzelmann verfocht dabei die Idee, eine Kommune zu gründen. Weil man sich darin einig war, dass der Faschismus nicht zuletzt aus der Kleinfamilie – der kleinsten Zelle des Staates – entstanden war, wollte man eine Wohnform gründen, in der es kein Privatbesitz und auch keine feste Paarbeziehung mehr geben sollte. Gesagt, getan: Am Neujahrstag 1967 zogen acht Männer und Frauen in die Berliner Wohnung des Schriftstellers Uwe Johnson ein, der damals im Ausland weilte.

Bald folgten die ersten politischen Aktionen der „revolutionären Krawallmacher“ (B.Z.) – und nicht viel später der Umzug in die Moabiter Stephanstraße. Doch hier zerstritten sich die Kommunarden zusehends, bis eine Gruppe Rocker im November 1969 die Verbliebenen überfiel und die Räume verwüstete. Damit war zwar das Ende der Kommune 1 gekommen, doch nun entstanden neue Wohngemeinschaften überall im Land.

Dann wurde im November 1971 das leer stehende ehemalige Bethanien-Krankenhaus in Berlin-Kreuzberg besetzt – es war der Auftakt der Hausbesetzerbewegung, die ab 1979 unter dem Motto „Lieber Instandbesetzen als Kaputtbesitzen“ agierte. Im Mai 1981 waren in Berlin 169 Häuser besetzt, viele von ihnen wurden in Selbsthilfe saniert. Nach einer ruhigen Dekade kam es nach dem Mauerfall in Berlin erneut zu massenhaften Besetzungen leer stehender Häuser, allein in Berlin waren es im Frühjahr 1990 rund 120 Häuser. Seither sind mehr als zehn Jahre vergangen, und damit ist zumindest die statistische Wahrscheinlichkeit groß, dass bald eine neue wohnungspolitische Bewegung von sich reden machen wird. OS