nebensachen aus brandenburg (14 und schluss)
: Wasser und Wichmann: die Uckermark

In Brandenburg wird am Sonntag ein neuer Landtag gewählt. Die taz stellt bis zur Wahl die 14 Brandenburger Landkreise vor. Heute: Die Uckermark

Die Straßen und Plätze sind leer, der Wind haut den CDU-Schirm immer wieder um, und wenn mal jemand vorbeikommt, blickt er verstohlen beiseite. Henryk Wichmann wollte zeigen, wie hart es ist, Wahlkampf in seiner Heimat zu machen. Nur deswegen habe er dem Filmprojekt damals zugestimmt. Damals, das war zu den Bundestagswahlen im Frühherbst 2002. Und seine Heimat: die Uckermark.

Den Wahlkreis gewann er nicht. Dafür blieben die Uckermärker zu sehr ihrem Ruf der roten Hochburg treu. Dafür landete er mit „Herr Wichmann von der CDU“ einen Filmhit. Heute sitzt er im Kreistag in Prenzlau und ist stolz auf sich. Irgendwie hat er mit dem Film die Uckermark ja auch bekannt gemacht.

Uckermark, das ist der größte Landkreis Deutschlands. Größer als Salzgitter in Niedersachsen, das auch schon sehr groß ist. Und fast so groß wie das Saarland. Zugegeben ein kleines Bundesland, aber immerhin ein Bundesland. Landschaftlich gesehen ist die Uckermark eigentlich nicht mehr Brandenburg. Dafür gibt es hier zu viele dichte Buchenwälder, sanfthügelige Endmoränen und dann die weite Seenlandschaft. Auch der Blick auf die geringe Bevölkerungsdichte (38 Einwohner pro Quadratkilometer) oder die hohe Zahl an Sozialhilfeempfängern zeigt: Die Uckermark hat mehr Gemeinsamkeiten mit dem angrenzenden Mecklenburg-Vorpommern als mit dem dicht besiedelten Brandenburger Speckgürtel, der sich um die Bundeshauptstadt legt. Darauf sind die Uckermärker stolz. Dass sie nämlich nicht so schnotzig reden wie die in Berlin, sondern einen reserviert kühlen, aber höflichen Umgang pflegen – wie die in Hamburg.

Und auf noch etwas sind die Uckermärker stolz. Wenn nämlich im Wetterbericht ein Regengebiet für den Nordosten Deutschlands angekündigt wird, es zwischen Lausitz, Prignitz und Märkisch-Oderland tatsächlich in Strömen gießt – die Uckermark bleibt verschont. Warum das so ist, kann kein Meteorologe erklären. Bei den vielen Anglern und Wanderpaddlern kommt das jedenfalls gut an. Jedes Jahr lockt die Uckermark tausende naturversessene Urlauber nach Templin, Lychen und Fürstenberg, von wo sie aus die Seenplatte erkunden können. Der Tourismus ist längst der größte Wirtschaftszweig in einer Region, in der jeder Vierte arbeitslos ist und zwei von drei Jugendliche gedenken, die Region zu verlassen.

Dabei ist es nicht nur die Jugend, die der Region den Rücken kehrt. Schon mehrfach wollte auch der Nahrungsmittelriese Nestlé die Pforten seines Prenzlauer Schöller-Eiskremwerks schließen, die rund 100 Beschäftigten aber nicht mitnehmen. Ein Maleur, dass mindestens doppelt so viele Milchbauer ebenfalls in den Ruin gezogen hätte. Bisher konnte die Schließung verhindert werden. Aber der Schock hat gesessen. Viele Bauern setzen nun auf Bio. 52 Öko-Betriebe zählt die Uckermark, die rund 14.000 Hektar Fläche umweltschonend bewirtschaften.

Das entspricht einem Anteil von 8 Prozent an der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche. Damit ist die Uckermark auch Deutschlands größter Bio-Landkreis.

Und auf noch ein Bioprodukt setzen die Uckermärker: stinkende Blau- und Schwarzalgen. In Templin wurden drei Gewächshäuser errichtet, in denen täglich bis zu 85 Kilogramm glitschige Algen gezüchtet werden sollen. Wofür? Zum einen für eine therapeutische Anwendung im benachbarten Thermebad, zum anderen als Brotaufstrich auf Knäckebrot. FELIX LEE