„Wir müssen es nur anpacken!“

Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, ist Schirmherrin der „Fairen Woche“. Im fairen Handel sieht sie ein Instrument, Globalisierung gerecht zu gestalten

taz: Frau Wieczorek-Zeul, viele Menschen bangen um ihre soziale Sicherheit und denken nicht daran, etwas gegen die Not in anderen Weltteilen zu tun. Kommt der Einsatz für fairen Handel da überhaupt noch an?

Heidemarie Wieczorek-Zeul: Da bin ich anderer Auffassung. Ich erlebe immer wieder, wie viele Menschen bereit sind, für eine gerechtere Welt aktiv zu werden. Und oft sind das gar nicht die mit dem dicksten Geldbeutel. Weltweit leben 1,2 Milliarden Menschen von weniger als einem US-Dollar am Tag. Diese Menschen wollen von uns keine Almosen. Aber sie wollen eine faire Chance auf den Weltmärkten. Deshalb setzen wir uns als Bundesregierung für eine gerechte Welthandelsordnung ein. Darüber hinaus kann aber jede und jeder Einzelne helfen, indem er oder sie fair gehandelte Produkte kauft.

In Deutschland ist der Anteil fair gehandelter Produkte im Vergleich zu einigen Nachbarn gering. Deshalb beteiligen sie sich an der Initiative zur „Verdoppelung des fairen Handels in Deutschland als Beitrag zur Halbierung der Armut“. Wie soll das funktionieren?

In der Tat ist der Marktanteil für fair gehandelte Produkte in Deutschland noch viel zu niedrig. In der Schweiz zum Beispiel hat fair gehandelter Kaffee einen Marktanteil von 5 Prozent – bei uns liegt er unter 1 Prozent. Da können wir noch deutlich zulegen. Deshalb unterstützen wir die Informationskampagne „fair feels good“, die von der Verbraucherinitiative in enger Zusammenarbeit mit Transfair und dem Dachverband der Weltläden durchgeführt wird. In den Jahren 2003 bis 2005 stellen wir hierfür insgesamt fast 6,5 Millionen Euro zur Verfügung. Wir wollen damit das Angebot und die Nachfrage nach fairen Produkten fördern. Ob Kaffee oder Tee, Orangensaft oder Bananen – es gibt ein breites Angebot an fair gehandelten Produkten. Wichtig ist, dass diese Produkte auch immer mehr in Supermärkten angeboten werden. In diesem Sommer haben zum Beispiel zwei große Supermarktketten fair gehandelte Bio-Bananen in ihr Sortiment aufgenommen. Ich begrüße das sehr, denn in unseren Nachbarländern hat gerade der faire Handel mit Bananen zu großen Marktzuwächsen geführt.

Welche Rolle spielt fairer Handel in der Entwicklungsarbeit Ihres Ministeriums?

Allein bis heute konnten weltweit 800.000 Produzentinnen und Produzenten mit ihren Familien der Armut entkommen, weil ihre Produkte fair gehandelt werden. Und das darf erst der Anfang sein. Die Produzentinnen und Produzenten, die in den Entwicklungsländern am fairen Handel teilnehmen, können ihre Lebensverhältnisse spürbar verbessern. Sie bekommen für ihre Produkte einen fairen Preis, der über dem Weltmarktpreis liegt. Und aus den Einnahmen können zum Beispiel Schulen oder Gesundheitseinrichtungen finanziert werden. Darüber hinaus ist der faire Handel aber auch deshalb so wichtig, weil er zeigt, wie eng unser Leben mit den Lebensverhältnissen der Menschen in den Entwicklungsländern verbunden ist. Eines muss aber auch klar sein: Alle Anstrengungen beim fairen Handel werden nicht ausreichen, wenn die Industrieländer nicht endlich aufhören, ihre Agrarexporte zulasten der Entwicklungsländer zu subventionieren. Wir brauchen dringend gerechtere Welthandelsbeziehungen. Die Europäer haben erste Schritte unternommen. Insbesondere die USA müssen jetzt nachlegen.

Bewirkt die Förderung des fairen Handels auf nationaler Ebene in globalisierten Wirtschaftsstrukturen etwas?

Selbstverständlich. Die internationalen Wirtschafts- und Handelsstrukturen sind doch von Menschen geschaffen worden. Also werden wir sie auch verändern können. Wir können die Globalisierung gerecht gestalten – wir müssen es nur anpacken!

INTERVIEW: LARS KLAASSEN