Kaufen mit Köpfchen

Fair gehandelte Produkte sind teuer, schwer zu bekommen und von zweifelhaftem Nutzen. Niemand kann garantieren, dass das Geld bei den Genossenschaften und Kleinbauern ankommt und versprochene Standards eingehalten werden – oder?

VON MARTINA JANNING

Arbeitslosigkeit, Hartz IV, Angst vor sozialem Abstieg: harte Zeiten. „Die Produkte sind mir zu teuer“, bemängelten 39,8 Prozent der Nichtkäufer fair vertriebener Produkte bei einer Emnid-Umfrage im Auftrag der Verbraucherinitiative. „Viele Waren kosten nicht mehr als normal gehandelte“, sagt Volkmar Lübke, ehrenamtliches Vorstandsmitglied der Verbraucherinitiative. „Auch eine Tasse fair gehandelten Kaffees ist nur 1,5 Cent teurer als anderer.“ Zumal sie sowohl in Qualität als auch in Geschmack so manche Discounterbohne übertrumpften.

Billig ist eben nicht gut: Die Kaffeepreise an der Börse sind so weit gesunken, dass die normalen Einnahmen der Bauern die Ausgaben für den Anbau vielfach nicht mehr decken. Ein fairer Preis soll die Kosten für Produktion und Lebensunterhalt einspielen. Ein zusätzlicher Fair-Trade-Aufschlag kann in Gemeinschaftsprojekte wie den Bau von Schulen oder den Kauf von Maschinen investiert werden. Faire Importorganisationen zahlen zudem einen Teil der Produktionskosten im Voraus, schließen langfristige Lieferverträge und umgehen Zwischenhändler, die im normalen Handel zulasten der Produzenten mitkassieren.

„Ich glaube aber nicht, dass das Geld ankommt“, zweifeln 26 Prozent der Nichtkäufer laut Emnid-Befragung. „Ein Kontrollsystem sorgt dafür, dass Missbrauch bekannt und ausgeschaltet wird“, erwidert Lübke. Das funktioniert vereinfacht so: Wenn ein Exporteur beispielsweise Kaffee, Orangen oder Honig kauft, zahlt er das Geld direkt an die Genossenschaft der Produzenten. Diese Zahlungen muss er bei FLO, der Fair Labelling Organisations International, melden. Das ist die Dachorganisation aller im fairen Handel tätigen Siegel-Initiativen. Deutsches Beispiel: Transfair. Gleichzeitig melden auch die Produzenten den Erhalt der Gelder an die FLO. Diskrepanzen bei Warenmengen und Zahlungen fallen also auf. Zusätzlich haben FLO-Inspekteure in den Produktionsländern ein Auge darauf, dass das Geld im Sinne der Kleinbauern und Genossenschaften verwendet wird.

Die Kontrolleure der FLO wachen auch darüber, dass Produzenten die Bedingungen des fairen Handels erfüllen. Mitmachen darf nur, wer faire Löhne zahlt, die ArbeiterInnen sozial absichert, grundlegende Menschenrechte erfüllt und keine Kinder schuften lässt. Umweltvertraglicher Anbau wird gefördert, und für Bioware gibt es Aufschläge. Produzentengruppen, die diese Kriterien erfüllen, können sich bei der FLO bewerben. Die Organisation sucht dann geeignete Exporteure für ihre Waren. Oder andersherum: Wenn die FLO eine konkrete Anfrage aus einem Importland hat, macht sie Produzenteninitiativen ausfindig. Ein Netzwerk von Entwicklungshilfeorganisationen unterstützt sie dabei.

So landen Kaffee, Tee, Orangensaft und Süßes, aber auch Kunsthandwerk, Fußbälle oder Teppiche schließlich in Läden der Industrienationen. Verbraucher müssen nur noch zugreifen – theoretisch. Denn 22,3 Prozent der Nichtkäufer haben laut Emnid-Umfrage keine Ahnung, wo es fair gehandelte Produkte gibt. Dabei finden die sich mittlerweile nicht nur Weltläden. Auch im Supermarkt lohnt es sich, die Augen aufzuhalten. Immer mehr Häuser und Filialen haben fair gehandelte Lebensmittel im Sortiment – und fahren gut damit. So verzeichnete das Fair-Handelshaus Gepa im vergangenen Geschäftsjahr ein Umsatzplus von 16 Prozent in Supermärkten.

Erkennungszeichen für fair gehandelte Artikel sind die Logos der Importfirmen oder das Transfair-Siegel (siehe Spalte). Das wird vom Verein zur Förderung des fairen Handels mit der „Dritten Welt“ vergeben, der 1991 von überwiegend kirchlichen Organisationen und der Verbraucherinitiative gegründet wurde. Ziel: fair vertriebene Produkte aus der Nische holen und neue Vertriebswege wie Supermärkte, Kantinen oder Gastronomie eröffnen (siehe Seiten VIII und IX). Als unabhängige Siegel-Initiative handelt Transfair nicht selbst mit Waren, sondern vergibt sein Emblem für fair gehandelte Produkte. Die Lizenznehmer zahlen dafür Gebühren, Transfair wirbt und kontrolliert. Was entwicklungspolitische Basisgruppen einst als Verrat an Prinzipien des fairen Handels sahen, hat aus heutiger Sicht entscheidend zum Gedeihen des fairen Handels beigetragen. Kaffee, Bananen oder Süßigkeiten mit dem Transfair-Siegel gibt es in über 22.000 Supermärkten, Lebensmittelabteilungen von Warenhäusern und rund 700 Weltläden zu kaufen. Produkte mit dem Transfair-Siegel erwirtschafteten 2003 einen Umsatz von rund 51 Millionen Euro. Fair gehandelte Artikel ohne Transfair-Siegel erbrachten weitere 30 Millionen Euro Umsatz, schätzt Thomas Hoyer, Geschäftsführer der Fair-Importeurs DWP. Erfolg statt allgemeiner Flaute.

Dennoch haben fair gehandelte Waren in Deutschland nur einen geringen Marktanteil: bei Kaffee ein Prozent. Das muss sich ändern, dachten Transfair, die Verbraucherinitiative und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, angespornt durch die Niederlande und die Schweiz. Dort hat fair gehandelter Kaffee einen Marktanteil von drei bis fünf Prozent. Mit der Kampagne „Fair feels good“ und Aktionen wie der „Fairen Woche“ wollen die Akteure Verbraucher informieren und zum Umsteigen motivieren. Denn ein Großteil der bisherigen Nichtkäufer (44,9 Prozent) weiß schlicht zu wenig über fairen Handel. Sie sollen erfahren, dass er Produzenten wie Konsumenten nützt.

Mehr zur Kampagne: www.fair-feels- good.de, zu Transfair: www.transfair.org, zu FLO: www.fairtrade.net