speichenbruch
: Das Ende der Rückendeckung

Sylvia Schenk hat ihren Rücktritt als BDR-Präsidentin angekündigt, weil sie nicht weiter die Skandale ihres umstrittenen Sportdirektors gutheißen möchte

Burkhard Bremer ist einer jener Sorte Sportfunktionär, wie man sie keinem Athleten wünschen mag. Der Sportdirektor des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) gilt der Szene als machtversessen und selbstherrlich, seine bisweilen ebenso willkürlich wie diktatorisch anmutenden Alleingänge enden derweil nicht selten im Skandal. Erst kürzlich, bei den Olympischen Spielen in Athen, hat man das wieder sehen können: Zunächst zeigte Judith Arndt dem BDR-Skandaldirektor den bösen Finger, weil dieser den Start ihrer goldträchtigen Teampartnerin Petra Roßner verhindert und obwohl sie selbst, also Arndt, Silber gewonnen hatte. Nur ein paar Tage später gingen die Verfolger ohne Medaillen von der Bahn; auch bei ihnen hatte Bremer dafür gesorgt, dass zwei ihrer besten, Daniel Becke sowie Jens Lehmann, in Sydney beide Olympiasieger, nicht mitradeln durften; schon im Vorfeld, bei der WM vor einem Jahr in Stuttgart, hatte es bei den Verfolgern einen weiteren Skandal gegeben, in den Bremer maßgeblich verstrickt war.

Sylvia Schenk ist eine Präsidentin, wie man sie sich als Skandale produzierender Sportdirektor nur wünschen kann. Die Juristin aus Frankfurt ist allseits loyal – und selbst wenn das Fiasko mal wieder besonders tobt, stärkt sie dem ersten Funktionär ihres Verbandes den Rücken, ganz egal, was der gerade mal wieder verbockt hat. Für Schenk war das stets Präsidentinnenpflicht.

Am Mittwochabend, bei einer Sitzung des geschäftsführenden BDR-Präsidiums, ist Sylvia Schenk abgerückt von ihrem Prinzip der bedingungslosen Loyalität, was man verstehen muss, viel zu lange gedauert hat es ohnehin. Denn schließlich ist sie nicht nur ihrem Sportdirektor, sondern, vor allem, ihren Sportlern verpflichtet. Nun, wohlgemerkt hinter verschlossenen Türen, wurde Tacheles geredet, vor allem die Vorfälle bei Olympia wurden so hitzig diskutiert, dass am Ende „unüberbrückbare Differenzen“ im Raum standen – und Schenk ihren Rückzug vom Amt ankündigte. Das Präsidium, allen voran BDR-Vize Fritz Ramseier, schlug sich ganz offensichtlich auf die Seite von Bremer, dafür, so der Stand der derzeitigen Ermittlungen, darf Ramseier nun die Verantwortung für den Leistungssport im BDR übernehmen. Hübsches und nicht weniger skandalträchtiges Detail am Rande: Anfang der 70er-Jahre sorgte der BDR-Vize, damals noch Wettkampfrichter, dafür, dass Bremer deutscher Meister im Straßenradfahren wurde. Als es auf dem Zielstrich zum Fotofinish kam, erklärte Ramseier kurzerhand Bremer zum Sieger, obwohl das Publikum deutlich anderes gesehen hatte und der Zielfilm auf wundersame Weise nicht mehr aufzufinden war. Seither, so heißt es, stehen Bremer und Ramseier in Nibelungentreue zueinander. Gut möglich, dass sich Ramseier nun selbst Hoffnung auf den Präsidentenposten macht.

So weit scheint es allerdings noch nicht. Gestern gab Sylvia Schenk bekannt, das Handtuch so schnell denn doch nicht werfen zu wollen, vor allem Vertreter der Landesverbände hätten sie darum gebeten, nächsten Donnerstag soll es nun eine Sitzung mit allen Landesfürsten zu diesem Thema geben. Schon jetzt sagt Schenk: „Ich bin vollkommen im Reinen mit mir.“ Seit Mittwochabend hat sie dazu allen Grund. FRANK KETTERER