Alles ist anders

Der VfL Bochum zeigt sich inspiriert vom Uefa-Cup und erspielt sich bei Standard Lüttich ein 0:0. Vor allem auf Spielmacher Dariusz Wosz wirkt der internationale Wettbewerb wie ein Jungbrunnen

AUS LÜTTICH HOLGER PAULER

„Ich habe nur noch nach draußen zum Trainer geschaut und darauf gewartet, wann er mich rausnimmt, aber es kam kein Zeichen“, sagte ein völlig erschöpfter Dariusz Wosz. Doch Bochums Trainer Peter Neururer hatte bei der Rückkehr des VfL Bochum auf die internationale Bühne kein Einsehen und ließ seinen Kapitän entgegen sonstigen Gepflogenheiten fast durchspielen, erst kurz vor Beginn der Nachspielzeit gönnte er ihm den umjubelten Abgang vor 4.000 mitgereisten Fans. Wosz war im Uefa-Cup-Hinspiel bei Standard Lüttich schließlich der überragende Spieler einer überlegenen, aber nur teilerfolgreichen Bochumer Mannschaft. 0:0 lautet das trügerische Ergebnis.

„Körperlich topfit“ habe er sich gefühlt, sagte Wosz, und das, obwohl er sich seit drei Wochen mit diversen Infekten herumschlagen musste. Davon war wirklich nichts zu sehen. Wosz war entspannt, er grinste, er freute sich wie ein kleiner Junge bei der Bescherung. Zum Schluss verteilte er noch ein Extralob: „Schiedsrichter Colombo hat ein enormes Tempo vorgegeben, wir konnten gar nicht anders spielen.“ International ist halt alles anders. Vielleicht sogar besser.

Es scheint so, als wirke allein die Aussicht, im Uefa-Cup zu spielen, wie ein Jungbrunnen auf den mittlerweile 35-Jährigen. Wosz spielt derzeit so stark wie nie seit seiner Rückkehr nach Bochum vor drei Jahren. Und er erinnert in der Spielweise an seine beste Zeit, an die Saison 1996/97, als er zum besten deutschen Mittelfeldspieler avancierte und ein Jahr später mit dem VfL Bochum auch international glänzte.

Die Chancen auf Fortsetzung stehen nach dem „schlechtesten aller Unentschieden“ (Peter Neururer) eigentlich recht gut. „Wir müssen das Ergebnis nur wie eine Niederlage werten, dann schaffen wir das im Rückspiel schon“, sagte Tomas Zdebel, der hinter Dariusz Wosz gemeinsam mir Marcel Maltritz im defensiven Mittelfeld entscheidend für das überlegene Auftreten der Bochumer war. Sie gewannen dort etliche Zweikämpfe und verlagerten das Spiel geschickt. Da auch die Innenverteidigung mit Kalla und Knavs sehr gut harmonierte, hielt sich der Negativstress auf Bochumer Seite in Grenzen.

Zdebel hatte in den letzten Wochen trotz des relativ erfolgreichen Saisonstarts die spielerische Linie bei sich und den Seinen vermisst. Nun stellte er fest: „Heute war es die beste Saisonleistung.“ Schade nur, dass es nicht zum Sieg reichte. Aus ihrer Überlegenheit machten die Bochumer zu wenig. Vor allem der starke, aber wieder einmal äußerst unglücklich agierende Momo Diabang schaffte es nicht, ein halbes Dutzend vielversprechender Angriffe zu Ende zu bringen. „Jetzt müssen wir halt in Bochum nachlegen“, sagte Philipp Bönig, „dort steigt die zweite Halbzeit.“

Dariusz Wosz machte für das dominante Auftreten des VfL auch die vielen mitgereisten Fans verantwortlich. „Das war stimmungsmäßig ein Heimspiel für uns“, sagte er, „so sind wir dann auch aufgetreten.“ Trainer Neururer sprach sogar von einer „Symbiose zwischen Mannschaft und Fans“. Tatsächlich erreichten die Bochumer Anhänger im „Stade de Sclessin“ eine zuletzt selbst im Ruhrstadion vermisste Lautstärke. Der Uefa-Cup wirkte stimulierend. Vielleicht war es auch das Ambiente. Extrem steile Tribünen in fast schwindelerregenden 90-Grad-Winkeln zum Spielfeld. Und vor dem Stadion Industrieflächen, die aussehen, als wären sie in den 70er-Jahren im Ruhrgebiet abgebaut – und extra für dieses Spiel wieder hergerichtet worden.

Beinahe wäre den Bochumer Fans die Vorfreude auf den Uefa-Cup verhagelt worden. Um überhaupt mit derart großer Unterstützung nach Lüttich fahren zu dürfen, mussten sie sich auf wahnsinnige Sicherheitsauflagen einlassen: Gestattet wurde nur die Anreise in Reisebussen, je mindestens 20 Mann plus Ordner. Karten gab es nur gegen Vorlage von Berechtigungsscheinen und Personalausweisen. In Lüttich angekommen, wurden sie von den einheimischen Fans abgeschottet direkt zum Stadion transportiert. Only the game! Ironie der ganzen Sache: Wer privat angereist war, konnte sich die Stadt anschauen und locker auf der Tribüne Platz nehmen. Bei freier Platzwahl. Von Sicherheitskontrollen vor Ort keine Spur. Bitter vor allem für die Fans, die wegen der stressigen Anreise zu Hause geblieben waren: Vom Spiel gab es keine bewegten Bilder, auch nicht als Zusammenfassung. Dabei hätte allein der Auftritt von Dariusz Wosz eine größere Öffentlichkeit durchaus verdient gehabt.