Senat gibt Vitamin B, kein Geld

Gerüchte um Beiersdorf-Verkauf verdichten sich: Hamburger Regierung sucht Partner für potenziellen Käufer Tchibo, um den Unternehmenssitz in der Stadt zu sichern

Hamburg taz ■ Beim Wall Street Journal Europe mit Sitz in Brüssel scheinen sie leicht irrige Vorstellungen von der Finanzkraft des Stadtstaates Hamburg zu haben. Meldete das Blatt doch gestern mit Verweis auf „mit der Angelegenheit vertraute Kreise“, dass die Stadt mehr als eine Milliarde Euro aus dem eigenen Etat beisteuern wolle, um das Traditionsunternehmen Beiersdorf in Hamburg zu halten.

Die Aufregung über diese Meldung wurde vom finanziell chronisch klammen Senat aber schnell gedämpft: „Alles totaler Quatsch, wir haben schließlich keine Milliarden bei uns herumliegen“, dementierte Senatssprecher Klaus May umgehend. Die Zeitungsente verdeutlicht jedoch, dass im Rennen um den Nivea- und Tesa-Konzern im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel Verunsicherung die Szenerie beherrscht: Gerüchte sind an der Tagesordnung.

Für die Mehrheit bei Beiersdorf interessiert sich zwar der Kaffeeröster Tchibo, der heute bereits 30 Prozent an Beiersdorf hält, aber eben auch der US-Riese Procter&Gamble. Und wenn der den Zuschlag erhielte, würde der Standort Hamburg für das Unternehmen wohl gewaltig wackeln (taz berichtete). Alle Beobachter rechnen zudem damit, dass die Amerikaner als Erstes einen deutlichen Stellenabbau vornehmen würden – zurzeit sind noch mehr als 18.000 Menschen bei Beiersdorf beschäftigt.

Daher ist der Senat mehr als interessiert, Tchibo als möglichen Käufer des auf dem Markt befindlichen 44-Prozent-Anteils der Allianz-Versicherung an Beiersdorf zu pushen und den wichtigen Steuerzahler – 200 Millionen Euro fließen von dort jährlich an Steuern in die Stadtkasse – am Ort zu halten: „Der Senat wird alles im Rahmen des ihm Möglichen unternehmen, um das Ziel zu erreichen“, lautete gestern die offizielle Floskel.

Im Klartext heißt das: CDU-Finanzsenator Wolfgang Peiner als ehemaliger einflussreicher Vorstand in der Versicherungswirtschaft und sein Wirtschaftskollege Gunnar Uldall lassen hinter den Kulissen ihre Kontakte zu Banken und Unternehmen spielen, um Partner für Tchibo zu gewinnen – denn allein könnte die Tchibo-Familie Herz die Milliardensumme für den Allianz-Anteil nicht aufbringen. Bei Tchibo müssen zunächst schlappe 4,6 Milliarden Euro aufgebracht werden, um die Querulanten Günter und Daniela Herz aus der eigenen Familien- und Führungsriege herauszukaufen.

Aus Wirtschaftskreisen war gestern zu erfahren, dass diese Bemühungen aus der Politik möglicherweise erfolgreich gewesen sind. Eine Bank habe Interesse angemeldet, gemeinsam mit Tchibo den Milliarden-Deal zu wuppen. Bereits in dieser Woche sollen demnach erste Verkaufsgespräche beginnen, hieß es. Aber möglicherweise ist auch das wieder nur eines der üblichen Gerüchte. PETER AHRENS