: Tod auf leisen Sohlen
Seuchenbekämpfung: Hamburg gut, das Umland schlecht. Geschosse mit Nebenwirkungen: Panzerbekämpfung gut, Umweltfolgen schlecht. Zwei Kongresse widmen sich in dieser Woche den Themen Bio-Gefahren und uranhaltige Munition
von GERNOT KNÖDLERund KAI VON APPEN
Die neuen Killer sieht man nicht, man riecht sie nicht und schmeckt sie nicht. Bis ihr Einsatz entdeckt wird, können Tage vergehen. Die Rede ist von Bakterien, Viren oder biologisch erzeugten Giften, etwa dem Milzbrand-Erreger, der die westliche Welt in den Wochen nach dem Attentat auf das World Trade Center in Angst und Schrecken versetzte. Wie auf einem Symposium der Feuerwehr zum Thema „Bio-Gefahren“ gestern deutlich wurde, geht die Gefahr in Deutschland weniger von einem terroristischen Einsatz biologischer Waffen aus als von der schnellen Verbreitung neuer Krankheitserreger durch die Globalisierung. Ende dieser Woche wird sich ein weiterer Kongress mit der schleichenden Vergiftung als Nebenwirkung moderner Kriege befassen: Der Verstrahlung durch Uranmunition.
Das Bio-Szenario ist erschreckend: Am hellichten Tag könnte ein Sprühflugzeug nach Einschätzung der Bundeswehr 45 Quadratkilometer mit Milzbrand-Sporen verseuchen. Flöge der Attentäter über einem Ballungsgebiet, würden 130.000 bis 460.000 Menschen sterben. Um die hierfür nötigen 100 Kilogramm Sporen zu erzeugen, bräuchte er allerdings ein großes Labor – so groß, dass es sich ohne die Rückendeckung eines Staates wohl kaum einrichten ließe. Das zumindest ist die Meinung von Walter Gaber, dem Direktor der medizinischen Dienste des Flughafens Frankfurt am Main.
Gabers Kollege René Gottschalk vom Gesundheitsamt der Stadt Frankfurt sagt deshalb: „Die infektiologischen Bedrohungen sind für uns die größte Herausforderung“ – neue, natürliche Krankheitserreger, wie das SARS-Virus, die stark ansteckend sind und hohe Todesraten aufweisen. Wie Gottschalk auf dem Feuerwehr-Seminar anschaulich darstellte, verbreiten sie sich durch den Flugverkehr in Windeseile über die ganze Welt.
Beide Experten verlangten eine bessere Organisation der Katastrophenmedizin in Deutschland. Zwar gibt es mehrere Kompetenzzentren und spezialisierte Labore in Deutschland, unter anderem in Hamburg. Doch die Abläufe im Katastrophenfall sind unterschiedlich gut organisiert. In Hamburg sei zum Beispiel festgelegt, welche Dienststelle einzugreifen habe, im Umland nicht. Das Hamburger Kompetenzzentrum ist allein für den Stadtstaat zuständig. „Ich wundere mich immer wieder, dass jede Stadt und jedes Bundesland dieses Thema neu für sich erfinden muss“, sagte Sebastian Wirtz von der Feuerwehr.
Die Folgen des Einsatzes von uranhaltiger Munition stehen im Mittelpunkt einer Internationalen Uranwaffen-Konferenz an der Universität. Obwohl Uranmunition nach internationalem Recht geächtet ist, wurde sie im Irak, auf dem Balkan und in Afghanistan eingesetzt. Der Kongress, zu dem namhafte Wissenschaftler aus aller Welt erwartet werden, will versuchen, einen Zusammenhang zwischen dem „Golfkriegssyndrom“ und der Verwendung uranhaltiger Munition zu beweisen.
Urangeschosse enthalten einen pfeilartigen Kern aus abgereichertem Uran 238 – Depleted Uranium (DU) – einem Abfallprodukt aus der Herstellung von Brennstäben für Atomkraftwerke. Der Kern durchschlägt durch seine Härte starke Panzerungen. Bei Wiederaustritt explodiert das Geschoss und zerstreut toxische und radioaktive Isotope.
Die Menschen im Kampfgebiet vergiften sich schleichend. Die Wissenschaftler Piotr Bein und Karen Parker bezeichnen uranhaltige Geschosse deshalb als „Massenvernichtungswaffen, wenngleich mit verzögerter Wirkung“. Schätzungen zufolge sind von den rund 149.000 erkrankten US-Golfkriegsveteranen des ersten Irak-Feldzuges 11.000 am Golfkriegssydrom gestorben. Die übrigen kranken Ex-Soldaten leiden an chronischen Beschwerden: Atemnot, Niedergeschlagenheit, Depressionen, Leber- oder Nierenfunktionsstörungen und erhöhten Krebsraten. Im Süd-Irak stieg die Leukämierate nach dem Krieg 1991 um das Sechsfache an.
Uran-Waffen-Kongress: 16.-19. Oktober, Uni-Hamburg, Hörsaal Erziehungswissenschaften. Infos: www.uranwaffenkonferenz.de. Studie: www.physik.uni-oldenburg.de – Stichwort Uran-Munition/ Umweltanalytik
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